Was mich an Österreich immer am meisten gestört hat, ist, dass es so überhaupt nicht am Meer liegt. Gen Süden trennt uns ein gewaltiger Gebirgszug von ihm, im Norden ewige Ebenen. Dieses Binnendasein wirkt sich immer wieder unangenehm aus, von Bademöglichkeiten bis hin zur Landschaft.

Mich persönlich trifft es, wenig überraschend, beim Essen am meisten. Hecht, Schleie und Flusskrebs in Ehren, aber Meeresfisch und vor allem Meeresfrüchte fehlen mir fürchterlich. Dabei ließe sich die Misere teilweise lindern. Viele Fische und Meeresfrüchte lassen sich nämlich wunderbar haltbar, transportabel und damit binnenlandtauglich machen.

Köstliche Fischkonserven

Foto: Tobias Müller

Gerade Meereslandbewohner wissen konservierten Fisch am meisten zu schätzen. In Spanien zahlen Connaisseure hohe Preise für Seeigel, Schwertmuscheln oder Thunfisch in Dosen, vor allem die Tiere, die vor der Küste des nordspanischen Galizien gefangen werden, sind höchst begehrt. In Barcelona, einer Stadt, die wahrlich nicht arm ist an frischen Meeresfrüchten, sind ganze Spezialitätengeschäfte Fischkonserven gewidmet.

Von Kroatien über Spanien bis Portugal gehört seit Jahrhunderten die eingelegte Sardine zum Standardprogramm, genauso wie der Stockfisch, getrockneter, eingesalzener Kabeljau aus Nordeuropa. Und schon vor 2000 Jahren schleppten die Römer Garum und Liquamen über die Alpen, die antike und heute fast vergessene europäische Version der Fischsauce.

All diese Köstlichkeiten könnten problemlos auch in Österreich genossen werden, komplett ohne Qualitätsverlust. Warum das bisher, abgesehen von ein paar Dosensardinen, kaum passiert, ist mir schleierhaft. Selbst die Sardelle, vor einige Jahrzehnten noch fixer Bestandteil des Wiener Würzrepertoires, verschwindet immer mehr aus den Geschäftsregalen. Und wer jetzt sagt, eingelegtes und getrocknetes Zeug sei mit frischer Ware nicht zu vergleichen: Ich finde, das verhält sich genauso wie frisches Schweinebein zu Prosciutto.

Foto: Tobias Müller

Ich möchte jedenfalls mein Möglichstes tun, da gegenzusteuern. Vom letzten Barcelona-Trip habe ich eine Ladung Meeresfruchtdosen mitgebracht, die die wunderbaren Gebrüder Steininger, die Australierin und ich verkostet haben (mehr dazu hier), dazu haben wir Stockfischpüree gemacht und als Hauptspeise eine Version von Mar i Muntanya gemacht. Mar i Muntanya ist die katalanische Version zu Surf and Turf (sagt zumindest Coleman Andrews) – und ein Gericht, dass schon im Namen darauf hinweist, wie wunderbar Berg und Meer, Land und Wasser kulinarisch zusammengehen können.

Im Original werden hier frische Garnelen mit Hühnerteilen geschmort, und zwar in einer pikanten Schoko-Nuss-Sauce. Schokolade als Würzmittel für Fleisch und Fisch ist in Katalonien weit verbreitet. Das Ergebnis schmeckt nicht süß, sondern mollig und rund mit zartbitteren Noten. Statt frischer Shrimps habe ich einfach getrocknete genommen: Ihr herbes Meeresaroma und die shrimpsige Note harmoniert ganz hervorragend mit saftigen Hühnerschenkeln. Der Eintopf lässt sich wunderbar vorbereiten und schmeckt aufgewärmt mindestens genauso gut.

Mar i Muntanya mit Huhn, Schokolade und Trockenshrimps

Das folgende Rezept basiert auf jenem, das Colman Andrews in seinem oben zitierten Buch beschreibt. Statt eines ganzen Huhns habe ich luxuriöserweise ausschließlich auf Hühnerunterkeulen gesetzt. Statt der frischen Shrimps habe ich die großen getrockneten Shrimps verwendet, die auch in den Frühlingszwiebel-Shrimps-Nudeln landen. Die Katalanen nehmen als Kochschokolade etwas, was "Xocolata a la Pedra" heißt: Schoko mit einigen Gewürzen und Reismehl. In Wien ist das nicht zu bekommen, ich habe daher normale Kochschokolade genommen und ein wenig Zimt und etwas Zucker zugesetzt. Die folgenden Angaben haben einen Eintopf für sechs ergeben, samt Resten für den kommenden Tag.

In einem großen, schweren Bräter ordentlich Butter erhitzen. Acht Hühnerunterkeulen auf mittlerer Hitze darin braten, bis sie rundum braun sind, und zur Seite legen.

Foto: Tobias Müller

Dann im gleichen Topf ein Sofregit zubereiten. Zwei große Zwiebeln kleinhacken und im Hühnerbratfett auf niedriger Hitze dünsten, bis sie braun geworden sind etwa 30 bis 45 Minuten. Kurz vor Ende der Bratzeit zwei Handvoll Trockenshrimps hineinwerfen und einige Minuten mitbraten, bis sie duften und knusprig sind. Eine Dose Tomaten dazugeben und diese circa weitere 30 Minuten lang einkochen, bis fast die gesamte Flüssigkeit verdampft ist.

Foto: Tobias Müller

Währenddessen eine Picada machen. Eine Handvoll Mandeln rösten und eine Scheibe altes Brot toasten. Dann die Mandeln, das Brot, 60 Gramm Kochschokolade, etwas Zucker, eine Prise Zimt und drei Knoblauchzehen in einem Mörser zu einem Brei zerstampfen. Andrews verbietet hier explizit wegen der Konsistenz die Verwendung einer Küchenmaschine. Wie gehorsam Sie sind, müssen Sie selbst entscheiden. Den Brei schließlich mit einem ordentlichen Schuss Olivenöl aufgießen und rühren, bis eine Art braune Creme entsteht. Zur Seite stellen.

Foto: Tobias Müller

Die Hühnerkeulen in das Sofregit geben und mit Weißwein, Wasser und einem Schuss Pernod aufgießen, sodass die Beine fast ganz bedeckt sind. Aufkochen und etwa 45 Minuten offen köcheln lassen. Falls sich die Sauce sehr reduziert, die Beine einmal wenden.

Die Picada dazugeben, gut durchrühren und weitere zehn bis 15 Minuten köcheln, bis die Sauce schön eingedickt ist.

Foto: Tobias Müller

Mit einem erfrischenden Salat und Brot zum Auftunken der Sauce servieren. (Tobias Müller, 2.4.2017)

Foto: Tobias Müller

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