Damir Canadi hat einen Vertrag bis 2018. Er müsste aber wohl bald die Kurve kratzen, damit es auch dabei bleibt.

Foto: APA/Neubauer

Wien – Die Welt des Damir Canadi ist etwas durcheinandergeraten. Fakt ist, dass Rapid unter der Regentschaft des 46-Jährigen eine desaströse Bilanz aufweist (zwei Siege, fünf Remis, sieben Niederlagen in Pflichtspielen) und auf Platz sieben abgerutscht ist.

Andere Zahlen: Mike Büskens wurde geschasst, als der Rückstand auf die damaligen Spitzenreiter Sturm und Altach je neun Punkte betrug. Auf Red Bull Salzburg waren es fünf. Zwölf Runden später sind es 19 auf die Vorarlberger. Tabellenführer ist längst Salzburg, die haben ein Plus von 26.

Die anderen sind die Deppen

Mit so einer Bilanz sind Trainer von Mattersburg oder Ried akut gefährdet, Canadi ist davor gefeit, glaubt Canadi. Die anderen sind die Deppen, speziell die Journalisten. Die stellen blöde Fragen. Fragen wie jene, warum er daheim gegen Mattersburg vier gelernte Innenverteidiger nominiert habe, sind Majestätsbeleidigungen. Das 1:1 sei nicht so übel gewesen, man hatte mehr Ballbesitz. "Lesen Sie die Statistik, wenn Sie lesen können." Die Bayern dominierten einst Real Madrid, es war eine statistische Demütigung (rund 70 Prozent Ballbesitz), aber die Spanier siegten in München 4:0. Das konnte man doch lesen.

Spieler sind auch ein Problem. Sie tun nicht, was Canadi von ihnen verlangt. Dass sie es bisweilen nicht können, scheint ihm wurscht zu sein. Aufgabe eines Trainers ist, Stärken zu stärken, Schwächen zu schwächen. Canadi hat das adaptiert. Er schwächt die Stärken, stärkt die Schwächen. Ralph Hasenhüttl sagte, als er den Job in Leipzig übernahm, er wäre ein verdammt schlechter Trainer, würde er alles umstoßen. Es gehe nicht um die Befriedigung des eigenen Egos, sondern um den Erfolg der Mannschaft, des Klubs.

Fassungslose Spieler

Natürlich kann und soll sich eine Mannschaft nie den Trainer aussuchen. Selbstverständlich tragen die Kicker Eigenverantwortung. Aber zumindest ein Hauch von Harmonie, Respekt und Verständnis sollte vorhanden sein. Canadi sprach gleich zu Beginn den Legionären die Qualität ab, er setzte Spieler auf Positionen ein, die sie einfach nicht draufhaben. Louis Schaub ist eines der größten Talente und ein sehr sensibler, stiller Mensch. Als Schaub im Training zu lange dribbelte, ist Canadi ausgezuckt.

Er schrie, heißt es, er hätte Schaub gewünscht, dass ihn einer niedermäht, damit er Zeit zum Nachdenken habe. Canadi will über Interna nicht sprechen. Mitspieler bestätigen allerdings den Vorfall, sie seien fassungslos gewesen. Dass sich Schaub nun beim Nationalteam einen Muskelfaserriss zugezogen hat und mehrere Wochen ausfällt, ist fast tragikomisch. Im Idealfall werden Esel zu Pferden. Bei Rapid droht den paar Pferden die Vereselung. Unter Canadi verlieren die Spieler rapide an Wert. Dabei sind sie das Kapital des Vereins.

Wunderwuzzi

Rückblick: Vor Saisonbeginn wurde vom besten Kader seit Jahren geschwärmt, die Werbetrommel gerührt, das neue Stadion zum Selbstläufer erklärt. Zoran Barisic wurde unerwartet gefeuert, Präsident Michel Krammer, gewiss ein Macher, sah eine Notwendigkeit. Da die Trennung zur einvernehmlichen erklärt wurde, blieben die wahren Gründe geheim. Unter Barisic war eine Spielphilosophie entwickelt worden, ein technisch versiertes, offensives, dominantes Agieren, es wurde Augenmerk auf Ballbesitz gelegt. Die Automatismen griffen, Rapid wurde zweimal hinter Salzburg Vizemeister, manche Partien hatten Erlebnischarakter – wobei auch Niederlagen in Wolfsberg oder in Altach zur Routine wurden. Auf dem Transfermarkt wurde nach Leuten gesucht, die das Anforderungsprofil erfüllen.

Sportvorstand Andreas Müller holte Büskens als Barisic-Nachfolger, Büskens wurde Krammer als optimale Lösung präsentiert. Am Anfang lief es auch recht rund, Rapid trat dominant auf, kreierte Chancen. Nach dem 0:1 daheim gegen den WAC wurden in einer Panikaktion Büskens, der unbestritten soziale Kompetenz hatte, und Müller gefeuert. Krammer selbst wurde aktiv, präsentierte am 11. November 2016 (Faschingsbeginn) Canadi als neuen Wunderwuzzi. Schließlich hat dieser in Altach seine Klasse bewiesen.

Kredit beim Kuratorium verspielt

Verblüffenderweise wurde Fredy Bickel erst später Sportvorstand, der Chef also nach dem Untergebenen bestellt. Krammer wurde vom Onlineportal "90minuten.at" gefragt, ob es nicht heikel sei, quasi als Laie solche Entscheidungen zu treffen? Er antwortete: "Muss ich ein Hund gewesen sein, um ein guter Tierarzt zu sein?" Canadi wollte aus Rapid ein Altach machen, aber daran scheitert wohl selbst Pep Guardiola. Die alte Spielphilosophie wurde abgeschafft, der reaktive Fußball eingeführt. Das Personal, das langfristige Verträge hat, kennt sich damit nicht wirklich aus. Hunde miauen nicht. Wobei Canadi immer wieder darauf hinweist, dass man mehr Ballbesitz als der Gegner habe. Man müsse nur lesen können. Weniger Ballbesitz ist allerdings gegen Ried oder Admira, bei allem Respekt, nur schwer möglich.

Offensichtlich pflegt Canadi zu den Ultras gute Kontakte. "Canadi raus"-Rufe blieben bisher aus. Auf Facebook dankt er für die "tolle Unterstützung". Im Kuratorium hat er dem Vernehmen nach Kredit verspielt, die Mitglieder sind ob der Worte und Taten irritiert. Rapid gastiert nun zweimal in St. Pölten. Am Samstag in der Liga, am Mittwoch im Cupviertelfinale. Sollte das schiefgehen, dürfte Canadi Geschichte sein. Angeblich bastelt Krammer schon an einem Ausstiegsszenario. Verliert Rapid, steckt man im Abstiegssumpf. Rapid kann Abstiegskampf nicht, es fehlt die Routine. In Altach wurde Canadis Abgang übrigens nicht betrauert. "Rapid Wien, Lebenssinn", sollen die Spieler gesungen haben. (Christian Hackl, 31.3.2017)