Parifizierungen sind kein großer Aufwand, in immer mehr Wiener Zinshäusern wird deshalb Wohnungseigentum begründet.

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Eugen Otto begleitete mit seinem Unternehmen Otto Immobilien im Vorjahr Immobilien-Investments (inklusive Zinshäuser) im Volumen von 110 Millionen Euro.

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Gerhard Hudej (Hudej Zinshausmakler) hat 2016 eigenen Angaben zufolge ein Transaktionsvolumen von rund 300 Millionen Euro vermittelt.

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Wien – Trotz drastisch gestiegener Preise in den vergangenen Jahren ist das Zinshaus immer noch eine beliebte Anlageform. "Nach wie vor wollen viele Private ins Zinshaus investieren", sagt Richard Buxbaum, Leiter der Abteilung für Wohnimmobilien und Zinshäuser bei Otto Immobilien. Sein Unternehmen hat kürzlich den aktuellen Zinshausmarktbericht vorgelegt, der seit 2009 zweimal im Jahr erscheint.

Die neue Ausgabe beinhaltet eine erste Bilanz über das Jahr 2016. Demnach wurden im Vorjahr 911 Millionen Euro in Wiener Gründerzeit-Zinshäuser investiert – inklusive des sogenannten "Nachlaufs" bis zum Stichtag 15. Februar. Der Nachlauf resultiert daraus, dass die Eintragungen im Grundbuch mitunter einige Monate hinterherhinken, und dürfte noch um einiges zulegen. "Insgesamt werden wir die Milliarde Euro überspringen", ist sich Firmenchef Eugen Otto sicher.

Spitzenjahr 2015 wird nicht übertroffen

Das "absolute Spitzenjahr" 2015 mit 1,322 Milliarden Euro dürfte aber nicht übertroffen werden. Denn die Nachfrage sei zwar "ungebremst hoch", sagt Thomas Gruber, Teamleiter Zinshäuser bei Otto. Das Angebot, insbesondere von Privaten, gehe aber zurück. Außerdem beobachtet Gruber ein ausgeprägtes Missverhältnis von Angebotspreisen und tatsächlich erzielten Zinshauspreisen. "Verkäufer wollen sich ihre Häuser möglichst teuer abkaufen lassen", analysiert Eugen Otto. Damit Abgeber den größtmöglichen Markt ansprechen können, gebe es auch vermehrt wieder Anfragen nach Bieterverfahren. Selbst eine Zinshausauktion, von Otto und Brichard Immobilien in den vergangenen Jahren zweimal durchgeführt, hält man nun wieder für denkbar.

382 Transaktionen zählte man bei Otto im Vorjahr (bisher), das waren um 27 Prozent weniger als vor einem Jahr. Im ersten Bezirk gab es im zweiten Halbjahr 2016 überraschend viele Transaktionen, auch im zwölften, 14. und 23. Bezirk liegt man um zwei Drittel über dem Vorjahr. Starke Rückgänge beim Volumen gab es in den Bezirken 20, 21 und 22.

49 Prozent der Verkäufer am Wiener Markt waren im Vorjahr Private (die aber nur für 28 Prozent des Transaktionsvolumens verantwortlich waren), auf Käuferseite waren in 70 Prozent aller Transaktionen (und zu 87 Prozent nach dem Volumen gerechnet) Unternehmen.

Preise legten rasant zu

Vor fünf Jahren sah das noch anders aus, damals waren 60 Prozent der Abgeber Private. Damals war auch die preisliche Situation noch eine ganz andere, 2011/12 bekam man in vielen Bezirken noch Zinshäuser zu Quadratmeterpreisen unter 1000 Euro.

"Aktuell ist unter 1500 Euro nichts mehr zu haben", berichtet Gruber nun. Die Spitzenrenditen haben sich in diesem Zeitraum von über sechs Prozent auf rund viereinhalb Prozent verringert, im ersten Bezirk liegen sie aktuell bei 1,2 bis 2,9 Prozent. Das ist auch der Grund, warum Investoren laut Gruber zunehmend auf das "neue Zinshaus", also neu gebaute Mietwohnhäuser, ausweichen.

14.547 Häuser noch übrig

Die Anzahl an Wiener Gründerzeithäusern nach strenger Otto-Definition (Baujahr 1848 bis 1918, geschlossene Bauweise, kein Wohnungseigentum, keine Sondernutzung) sank per Stichtag 15. Februar 2017 auf 14.547. Damit gingen seit 2009, als der erste Otto-Marktbericht erschien, 982 Häuser verloren. Die wenigsten davon verschwanden auch physisch aus dem Stadtbild (durch Abbruch), meist ließ eine Parifizierung, also die Begründung von Wohnungseigentum, die Häuser aus der Otto-Zählung verschwinden. "Leider" sei eine Parifizierung sehr einfach, bedauert Otto. Und lukrativ: Der Abverkauf der Wohnungen ist in vielen Fällen eine lohnende Alternative.

Eine andere Alternative ist das Ausweichen auf die Landeshauptstädte. Auf diesen Markt ist Gerhard Hudej spezialisiert, er legte kürzlich ebenfalls über das Jahr 2016 Bericht ab. Allerdings fasst Hudej den Zinshaus-Begriff wesentlich weiter als Otto, für ihn ist ein Zinshaus "jedes Haus, das einen Zins abwirft" – also etwa auch neu gebaute Mietwohnhäuser oder das "Gablerbräu" in Salzburg, das auch ein Star-Inn-Hotel umfasst und im Vorjahr auf Vermittlung Hudejs um 46 Millionen Euro den Besitzer wechselte.

Dementsprechend kommt Hudej 2016 auf ein Marktvolumen von 1,287 Milliarden Euro in Wien und von 1,725 Milliarden Euro in ganz Österreich. Salzburg war laut Hudej auch dem Volumen nach der zweitgrößte Markt, mit 153,5 Millionen Euro, vor der Steiermark und Niederösterreich mit jeweils knapp über 70 Millionen. Die Märkte entwickelten sich sehr uneinheitlich, Rückgänge bei den Transaktionen gab es etwa in der Steiermark und in Vorarlberg, beim Volumen außerdem in Oberösterreich und dem Burgenland.

Keine ausländischen Käufer

In Niederösterreich fanden 33 der von Hudej gezählten 69 Transaktionen in den fünf "interessanten Städten" St. Pölten, Wiener Neustadt, Baden, Mödling und Krems statt, in Salzburg konzentrierte sich der Zinshausmarkt fast ausschließlich auf die Landeshauptstadt. In Oberösterreich gab es 61 Transaktionen, 21 davon in Linz, zehn in Steyr und sieben in Wels. Oberösterreich ist auch jener Markt, den Hudej künftig stärker beackern möchte. Nach Standorten in Wien, Salzburg und Graz ist demnächst einer in Linz geplant.

Hudej hat im Vorjahr laut eigenen Angaben ein Transaktionsvolumen von rund 300 Millionen Euro vermittelt. Mit ausländischen Käufern hat man es in den Bundesländern übrigens kaum zu tun. Ein einziges Mal habe bisher eine deutsche Stiftung wegen eines Objekts in Graz angefragt, berichtete der dortige Büroleiter Roman Streicher. Wohlgemerkt: angefragt – "aber nicht gekauft". (Martin Putschögl, 1.4.2017)