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Der Felsen wird von Affen bevölkert, das Land zu seinen Füßen von Briten.

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Der Streit zwischen Großbritannien und Spanien um die britische Kronkolonie Gibraltar geht weiter und trägt Züge des Absurden. Am Sonntag hatte Michael Howard, der frühere Vorsitzende der Konservativen Partei, angedeutet, dass Großbritannien bereit wäre, wegen Gibraltar in den Krieg zu ziehen. Am Montag meldete sich dazu der spanische Außenminister Alfonso Dastis "Ich glaube, dass im Vereinigten Königreich jemand die Nerven verliert und dazu gibt es keinen Grund", sagte er der Zeitung Cinco Días.

Dastis ist sichtlich zufrieden. Brüssel hat mit dem Verweis auf Gibraltar und der Anerkennung der Rolle Spaniens einen Schritt getan, den die in Madrid regierenden Konservativen unter Premier Mariano Rajoy sich nicht in ihren kühnsten Träumen hätten ausmalen können. Denn bisher hielt sich die EU zurück, wenn es um den Konflikt um den Affenfelsen ging.

Anlass des Streits sind die Leitlinien, die der EU-Ratspräsident Donald Tusk für die Brexit-Verhandlungen vorgegeben hat. Darin heißt es, dass Spanien ein Veto bei Entscheidungen über Gibraltar hat. Das kam in Großbritannien gar nicht gut an. Man werde, erklärte Premierministerin Theresa May, für Gibraltar "das bestmögliche Ergebnis" beim Brexit erreichen und es nicht zulassen, dass die Enklave gegen den Willen der Einwohner unter andere, sprich spanische, Kontrolle gerate.

Gibraltar ist seit mehr als 300 Jahren ein Zankapfel zwischen den beiden Nationen. Die Halbinsel am Eingang zum Mittelmeer steht seit 1704 unter britischer Souveränität und wurde 1713 im "Frieden von Utrecht" von Spanien offiziell der britischen Krone übertragen. Spanien hat seither versucht, sich den "Affenfelsen" einzuverleiben. Mehrere Belagerungen im 18. Jahrhundert oder Grenzschließungen in den Jahren unter Franco hatten keinen Erfolg.

Grenzzaun als Außengrenze

Seit dem Brexit ist das Thema schwieriger denn je. Ohne EU ist der Grenzzaun, der die Kronkolonie von Spanien trennt, Außengrenze der EU. Auf dem Felsen macht sich die Sorge breit, der Übergang könnte wieder geschlossen werden. Ältere erinnern sich noch an die Zeit vor 1982, als Spanien keinen Grenzverkehr zuließ.

Die jüngsten emotionsgeladenen Reaktionen auf britischer Seite verwechselten allerdings die Souveränität von Gibraltar mit dem Vetorecht Spaniens bei einem möglichen Brexit-Deal. Laut den Tusk-Leitlinien kann ein Freihandelsabkommen zwischen Großbritannien und der EU nur dann Gültigkeit in Gibraltar bekommen, wenn es darüber "ein Einvernehmen zwischen dem Königreich von Spanien und dem Vereinten Königreich" gibt. Das würde Spanien de facto eine Mitsprache erlauben, bedeutet aber nicht, dass der Affenfelsen zurückgegeben werden müsste.

Der Regierungschef in Gibraltar, Fabian Picardo, fordert, dass Brüssel den Passus über Gibraltar aus dem Entwurf für ein Verhandlungspapier streichen solle. Kurz nach dem Brexit hatte er allerdings auch gewarnt, ohne Zugang zum Binnenmarkt würde Gibraltar über geteilte Souveränität nachdenken müssen. Die spanische Presse jubelt ob der Position Brüssels. "Die 27 haben die Haltung Spaniens zum Felsen voll und ganz übernommen", kommentiert El Mundo. Die größte Oppositionspartei, die PSOE, unterstützt in der Frage die Regierung.

Die "Llanitos", wie die Einwohner Gibraltars in Spanien genannt werden, machten immer wieder klar, dass sie von spanischer Mitbestimmung wenig wissen wollen. Zuletzt in einem Votum 2002. 98 Prozent stimmten damals gegen geteilte Souveränität Großbritanniens und Spaniens. (Reiner Wandler aus Madrid, Jochen Wittmann aus London, 3.4.2017)