Angie Hohenwarter hat sich als Profi-Freeriderin im von Männern dominierten Bikebusiness etabliert.

Foto: Florian Falch

Die Kärntnerin in ihrem Element, hier beim Fotoshooting auf Madeira.

Foto: Florian Falch

Aufgewachsen im Bergdorf, fuhr Hohenwarter von jeher am liebsten bergab.

Foto: Florian Falch

Innsbruck – Wenn Angie Hohenwarter in den Trail einfährt, heißt es Bremsen auf, um zumindest eine theoretische Chance zu wahren, mit ihr mitzuhalten. Dabei sei sie heute ohnehin müde, erklärt sie noch beim Adjustieren der Protektoren. Weil sie erst am Vorabend von einem Fotoshooting aus Madeira zurückgekommen ist. Aber kaum haben die Stollenreifen der 32-jährigen gebürtigen Kärntnerin Waldboden unterm Profil, ist sie in ihrem Element.

Radfahren bezeichnet sie als eine "Passion, die man nicht beschreiben kann, die einfach immer schon da war". Aufgewachsen im Bergdorf Forst im Gailtal, sammelte sie ihre ersten Zweiraderfahrungen als Mountainbikerin. Vater und Bruder tingelten regelmäßig zu Crosscountry-Rennen, was Hohenwarter eifersüchtig machte: "Ich wollte auch mitkommen, also habe ich mit neun Jahren begonnen, ebenfalls Crosscountry-Rennen zu fahren."

In ihrer Videoserie Bikesafari besucht Hohenwarter die besten Trails des Landes.
AUFMSCHLAU.CH

Obwohl sie heute von sich sagt, nicht der Typ für Rennen und Fahrten gegen die Uhr zu sein, bestritt Hohenwarter später einige Weltcup-Bewerbe im 4-Cross und Downhill. Sie kann aus dieser Zeit auf respektable Top-fünf-Resultate und einen Staatsmeistertitel verweisen. Trotzdem ist sie froh, heute als Freeriderin nicht mehr im Wettkampfmodus funktionieren zu müssen. Wenngleich ihr Leben als Profi-Mountainbikerin nicht viel weniger stressig ist.

Der banale Profialltag

"Ich bin mein eigener Manager", sagt sie. Das bedeute viel Planungsarbeit, viel Theorie und noch mehr vorm Computer sitzen. Mit dem verklärten Traum, als professionelle Bikerin die Tage auf den schönsten Trails der Welt zu verleben, hat Hohenwarters Alltag nur bedingt zu tun. Sie weiß es zu schätzen, wie zuletzt, im Spätwinter zwei Wochen für Fotoaufnahmen auf Madeira zu biken: "Allerdings bedeutet so ein Trip in der Vorbereitung eine Menge Arbeit." Verhandlungen mit Sponsoren, die gesamte Organisation und Logistik, um mit Crew und Equipment auf die Insel zu gelangen und viele Kleinigkeiten sind es, die Hohenwarters Arbeitstage füllen.

Biken dient der Kärntnerin nicht nur als Beruf, sondern auch als Ausgleich zwischen den Terminen und Pflichten.
Foto: Florian Falch

Seit rund drei Jahren lebt Österreichs einzige Profi-Freeriderin von ihrem Sport. Sie macht Fotoshootings und Videoproduktionen für Sponsoren, veranstaltet Fahrtechnikcamps für Frauen und erledigt Promotiontermine. "Dazwischen haue ich ab zum Radlfahren. Sonst halte ich das nicht aus", sagt sie. Dass sie als Frau eine Exotin in der männlich dominierten Mountainbike-Welt ist, weiß sie. Und sie hat kein Problem damit: "Ich kenne das aus der Werkstatt meines Bruders, der Reifenhändler ist. Wenn es die Zeit zulässt, helfe ich bei ihm mit. Auch dort haben mir viele Kunden nicht zugetraut, dass ich die Arbeit erledigen kann."

Zielgruppe Frauen

Im Mountainbike-Sport glaubt Hohenwarter an eine Veränderung: "Man sieht heute viel mehr Frauen auf Downhill- und Enduro-Bikes als noch vor fünf, sechs Jahren." Das liege aber nicht daran, dass die Szene sich entwickelt habe: "Die Industrie hat einfach entdeckt, dass mit Frauen noch viel Geld zu machen ist." Sie selbst hat eben erst ihren Bikesponsor gewechselt und fährt nun für die deutsche Marke Propain. Ein Auftrag an sie lautet, ihrem Sponsor die Zielgruppe Frauen näherzubringen und umgekehrt. Eine eigene Rahmengeometrie für Bikerinnen hält Hohenwarter übrigens nicht für nötig: "Wichtiger ist es, die Parts anzupassen. Eine 760er-Lenkerbreite passt locker für eine Frau, da muss es nicht zwingend der 800er sein. Solche kleinen Anpassungen machen viel aus. Wichtig ist, dass man sich wohlfühlt am Bike."

Erste Rennen im Crosscountry, danach Weltcup-Erfahrung im Downhill und 4-Cross. Hohenwarter ist eine vielseitige Fahrerin.
AUFMSCHLAU.CH

Als Mentorin unterstützt die Profi-Freeriderin den Nachwuchs in der Bikerinnen-Szene. Hohenwarter hat sich Österreichs großem Nachwuchstalent im Downhillsport, Valentina Höll, angenommen: "Ich habe Vali am Anfang ein bisschen geholfen mit Sponsorenmappen und Verträgen, aber mittlerweile ist sie schon sehr selbstständig."

"Zu wenig Ahnung als Frau"

Nur an einer Front musste sich Hohenwarter der Männerphalanx im Mountainbiken geschlagen geben. Sie war die erste weibliche Punkterichterin auf der Freeride Worldtour (FMB). Doch die Vorbehalte in der Slopestyle-Szene gegenüber einer Frau als Judge waren letztlich immer noch so groß, dass sie nach drei Jahren das Handtuch geworfen hat: "Es ging einfach nichts weiter, egal wie sehr ich mich bemüht habe. Dann hieß es hinter vorgehaltener Hand, als Frau hätte ich nicht genug Ahnung von dem, was ich da bewerte, weil ich den Kurs ja nicht selbst fahre." Sie verweist schulterzuckend auf Eiskunstlauf und andere Sportarten, in denen die Punkterichter auch nicht zwangsläufig in der Lage sein müssen, das Gezeigte selbst auszuführen.

"Als Frau hast du es in dieser Szene immer ein bisschen schwerer", ist Hohenwarter überzeugt. Was den Spaß am Mountainbike-Sport aber nicht schmälere. Als Unikat hat sie es jedenfalls geschafft, in der Männerwelt von Fullys und Stollenreifen zu reüssieren. Ihr geschmeidiger Fahrstil und ihre rote Mähne sind unverkennbar. Mit Ersterem hat sie sich den Respekt der männlichen Kollegen auf unzähligen Abfahrten erarbeitet, Letztere ist ihr Markenzeichen geworden. (Steffen Arora, 4.4.2017)