Wien – "Drüben hinterm Dorfe steht ein Leiermann ...": Mit der letzten Nummer aus Schuberts Winterreise einen Liederabend zu beginnen, das lässt aufhorchen. Die Sopranistin Christiane Karg hat sich die Latte mit ihrem Programm Es war einmal ... – Märchenhafte Sagenwelt mehrfach hoch gelegt: mit einer sängerisch höchst anspruchsvollen Auswahl ebenso wie mit dem Anspruch auf eine durchgängige Dramaturgie.

Schon mit diesem ersten Lied zeigte Karg geballte Gestaltungsfähigkeiten: in einer einzigartigen Verbindung aus Zurücknahme und Ausdrucksintensität, in konzentrierter Wortdeutlichkeit sowie einer Kunst der Wortausdeutung, die sich durch flexible Farbgebung realisiert. Der Leiermann wurde zu einer Art Motto des Erzählens tragischer, doch nicht nur tragischer Gedichte in Vertonungen von Schubert, Schumann, Pfitzner und Mahler – mit vielfachen klugen Verbindungen und Anknüpfungspunkten, die manchmal im Thematischen, dann wieder mehr im Atmosphärischen lagen. Gemeinsam mit ihrem Partner am Klavier, Gerold Huber, schaffte die Sängerin einen Spannungsbogen innerhalb der Liedgruppen, die sogar die notorischsten Liederabendhuster zuweilen ihren Einsatz verpassen ließen.

Wandlungsfähig

Karg verfügt über eine (an diesem Abend wohl erkältungsbedingt etwas eingeschränkte) leichte, dabei aber belastbare Stimme, deren Stärken weniger in einer einzigen Grundfarbe denn vielmehr in der Wandlungsfähigkeit liegen. Beeindruckend zeigten dies die Charakterisierungen der Personen in Schuberts Zwerg und Erlkönig, die Perspektivenwechsel bei Schumanns Auf einer Burg oder Der arme Peter und die fast szenisch greifbaren Stimmungen bei Mahlers Wunderhorn-Vertonungen. Huber nahm an all dem größtmöglichen Anteil – vor allem durch die Fähigkeit, in einem kleinen Moment und mit einer Nuance die Atmosphäre mitzumalen. (Daniel Ender, 3.4.2017)