Gesundheitshotline, Prävention bei der Pensionsversicherungsanstalt, Demenzfreundliche Apotheken und Multiprofessionale Versorgung im Alter: All das werden Österreicher und Österreicherinnen im 21. Jahrhundert brauchen.
Foto: Getty Images / iStock / olaser

Per Hotline wissen, wohin: Das Gesundheitsservice Teweb

Am 7. April startet in Wien, Niederösterreich und Vorarlberg der Pilotversuch zur österreichweiten Gesundheitshotline Teweb. Bürger mit gesundheitsspezifischen Fragen können hier telefonisch oder via Internet um Rat fragen. Bei der Hotline heben diplomierte Gesundheits- und Krankenpfleger ab und fragen systematisch ab, um welche Beschwerden oder Krankheit es sich handelt. Sie gehen dabei anhand eines wissenschaftlich gesicherten Leitfadens – auch Fragebaum genannt – vor.

In unklaren oder heiklen Fällen können jederzeit Ärzte hinzugezogen werden. Die Anrufer erfahren, wie sie sich richtig verhalten, und wo sie sich zur weiteren Abklärung oder Behandlung hinwenden sollen. Das kann in Notfällen die Rettung oder der Notarzt sein. In weniger dringenden Fällen der Haus- oder Facharzt. Manchmal reicht auch ein Medikament aus der Apotheke, eine Selbstbehandlung mit einem Hausmittel oder sogar "Abwarten und Beobachten".

Eines der erklärten Ziele von Teweb ist es, Patienten mit Bagatellerkrankungen von Spitalsambulanzen fernzuhalten und in andere Versorgungseinrichtungen zu lenken. In die Ambulanzen sollten nur echte medizinische Notfälle wie Verletzungen mit starkem Blutverlust, Brüche, Verbrennungen, Atemnot oder Herz-Kreislauf-Probleme. "Triagierung" nennt man im Fachjargon das Verfahren, Beschwerden nach ihrer Dringlichkeit zu reihen. Und damit auch zu verhindern, dass die Ambulanzen mit Schnupfen, Scharlach und Ischiasbeschwerden überfüllt sind. Das Pilotprojekt in den drei Bundesländern läuft bis Ende 2018. Bewährt es sich, dann soll es 2019 in ganz Österreich eingeführt werden.

Hilfe zur Selbsthilfe: PVA nimmt Prävention als Grundansatz

In der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) werden Anträge für Rehabilitationen als Maß für die gesundheitliche Lage der Nation registriert. Insofern weiß man: Es gibt Krankheiten, die in den letzten Jahren "explodiert" sind, wie PVA-Obmann Manfred Anderle sagt. Kreuzweh, psychische Erkrankungen, Krebs, Diabetes und chronische Schmerzen identifiziert er als große Problemfelder unserer Gesellschaft. Ziel der Pensionsversicherung müsse es deshalb sein, Menschen dahingehend zu unterstützen, sozial integriert zu bleiben, also weiterhin zur Arbeit gehen, Freunde treffen und Freizeitaktivitäten nachgehen zu können.

Als Instrument dafür gibt es in Österreich die Rehabilitation. Die PVA zahlt aktuell 70 Prozent der stationären sowie 89 Prozent der ambulanten Reha. Finanzierte sie 2004 insgesamt 34.835 stationäre Aufenthalte, hat sich diese Zahl bis 2015 fast verdreifacht – das kostet die Versicherung 870 Millionen Euro. Geld, das sich auszahlt, denn Experten sind sich einig, dass kranke Menschen, die vereinsamen, den Staat am teuersten kommen. Deshalb gibt es in der PVA auch eine neue Direktive. "Wir wollen unsere Angebote mehr in Richtung Krankheitsprävention entwickeln", sagt Generaldirektorstellvertreter Kurt Aust und meint die Möglichkeit, Kuren anzubieten, bevor schwere Erkrankungen entstehen, etwa bei psychischen Problemen. Dafür werden Impulse gesetzt und Kooperationen mit den Krankenkassen in Angriff genommen. "Während eines Reha-Aufenthalts gibt es Zeit, individuell auf die Erkrankung und Lebensgewohnheiten einzugehen", sagt PVA-Chefärztin Ursula Graninger. Ziel müsse es sein, Patienten zu Experten ihrer eigenen Erkrankung zu machen.

Verständnis für Vergesslichkeit: Wie sich Apotheken für Demenz rüsten

Für ältere Menschen ist die Apotheke ein wichtiger Ort im Leben. Auch wenn sonstige Alltagsverrichtungen schon nicht mehr allein möglich sind, ist die Besorgung der Medikamente machbar, weil seit vielen Jahren meist eine Routine. Bei Patienten, die unter Vergesslichkeit und Demenz leiden, wird der Radius immer kleiner.

Umso wichtiger ist es, dass sie an bekannten Orten auch Menschen antreffen, die sie kennen und sich auf ihre Bedürfnisse einstellen können. "Es geht um Respekt und Lebensqualität", sagt Petra Plunger von der Alpe-Adria-Universität in Klagenfurt. Sie leitet seit einigen Jahren das Projekt "Demenzfreundliche Apotheke", das in Zusammenarbeit mit der Selbsthilfegruppe Alzheimer Austria und der Österreichischen Apothekerkammer durchgeführt wird. Dabei werden Apotheker im Umgang mit Demenzpatienten und ihren Angehörigen geschult.

Im Mittelpunkt stehen Wissen über die Erkrankung, Förderung von Einfühlungsvermögens und Kommunikation. "Oft ist die Apotheke erste Anlaufstelle und hat eine bedeutende Rolle als Bindeglied zwischen Patienten, Angehörigen, Selbsthilfegruppen und Ärzten", sagt Max Wellan, Präsident der Österreichischen Apothekerkammer. "Es geht darum, die Betroffenen in ihrem So-Sein zu bestätigen und sich auf ihre Wahrnehmung der Welt einzulassen", sagt Monika Natlacen von Alzheimer Austria. Die Pharmazeuten werden geschult, besser mit der Vergesslichkeit und Desorientierung ihrer Kunden umgehen zu können. In Wien gelten derzeit zehn, in Niederösterreich neun und in Salzburg Stadt seit kurzem 23 Apotheken als demenzfreundlich. Apotheken machen den Anfang.

Ins Alter begleiten: Multiprofessionalität in Ybbs

Viele ältere Menschen mit psychischen Erkrankungen leben in Pflegeheimen, obwohl sie dort eigentlich nicht hingehören, weil sie weder medizinisch noch pflegerisch Betreuung brauchen. Sie sind dort, weil sie keinen anderen Ort zum Wohnen haben. Ihre Wohnungen haben sie verloren, oder sie ist als Folge der Erkrankung verwahrlost. Es gibt keine Verwandten oder Freunde. Manchmal machen Suchtprobleme das Leben allein schwierig.

"Wir bemühen uns, diesen Menschen eine Alternative zu bieten", sagt der Psychologe und Psychotherapeut Gerald Gatterer. Am Geriatriezentrum am Wienerwald hat er mit seinem Team ein Modell der psychosozialen Rehabilitation und forcierten Entlassungsvorbereitung entwickelt, das bislang österreichweit einzigartig ist. Als die Einrichtung im Jahr 2015 geschlossen wurde, übersiedelte das Modell in das Sozialtherapeutische Zentrum nach Ybbs/Donau, das vom Wiener Krankenanstaltenverbund betrieben wird. Gatterer ist hier für das Aufnahme- und Entlassungsmanagement zuständig. Sein Credo: "Psychosoziale Rehabilitation kann nur gelingen, wenn es Vorbereitung und Begleitung durch ein multiprofessionelles Team mit der entsprechenden Philosophie und Therapieeinstellung gibt."

Derzeit gibt es zwei Wohngruppen mit jeweils zehn Einzelzimmern sowie eine Außenwohngruppe und eine Trainingswohnung, eine weitere ist geplant. Das therapeutische Angebot reicht von der Garten- über die Kunst-, Tier-, Ergo- bis hin zur Physiotherapie. Mediziner, Pflege, Sozialarbeiter, Psychologen und Therapeuten arbeiten zusammen, sind mit den medizinischen und sozialen Diensten "draußen" eng vernetzt.

Schritt für Schritt bereiten sie die Langzeitpatienten auf ihre Rückkehr in die Eigenständigkeit vor. Im Übergangswohnheim üben sie, einen Haushalt zu führen, ihre Medikamente eigenverantwortlich einzunehmen und ohne Begleitung das Heim zu verlassen. Parallel helfen Sozialarbeiter mithilfe sozialer und mobiler Dienste die Betreuung und Therapie nach der Entlassung zu organisieren. "Wir begleiten die Personen weiter. Sollte das Leben draußen nicht funktionieren, können die Patienten jederzeit in die stationäre Betreuung zurückkehren", unterstreicht Gatterer die Bedeutung des Entlassungsmanagements.

Wichtige Voraussetzungen dafür, dass eine Entlassung möglich wird, sind ein ausreichend guter körperlicher und psychischer Gesundheitszustand sowie die Motivation der Patienten, wieder in den eigenen vier Wänden leben zu wollen. "Seit der Übersiedlung konnten bereits zehn Personen wieder in ein eigenständiges Leben zurück", freut sich Gatterer. Ein Erfolg, der nicht nur die Spitalsstatistik entlastet, sondern auch Menschen ihre Eigenständigkeit und Selbstverantwortlichkeit zurückgegeben hat – und damit auch ein Stück Würde. (Andrea Fried, CURE, 7.4.2017)