An der Liebe verzweifelt
Der Mann, der in Dante Andrea Franzettis längerer Erzählung "Passion. Journal für Liliane" einmal noch versucht, bei einem gemeinsamen Aufenthalt in einem norditalienischen Hotel seine Frau zurückzugewinnen, hat zur Sicherheit "alles dabei": Xanax, Temesta, Somnium. Zuvor war er – getrennt von Gattin und den beiden Söhnen – durch Wochen, Monate "nie endender Trübheit, quälender, brennender Verzweiflung" getaumelt. "Er lebte wie ein Automat, (...) versuchte es mit Lektüren, die er nur wenige Seiten aushielt. Es war, als wäre er aus der Welt gefallen." Passion erzählt aber nicht nur die Geschichte eines Mannes, Nerbal sein Name, er ist Schriftsteller, der in seinen vermeintlich besten Jahren an der Liebe verzweifelt und in die Depression stürzt. Vielmehr ist das Buch neben einem Abgesang auf eine (oder die?) große Liebe auch eine poetische Vermisstenanzeige. Und es ist eine Etüde im Loslassen, die Dante Andrea Franzetti, der 2015 mit 55 Jahren verstarb, trotz des schweren Themas mit der ihm eigenen Leichtigkeit erzählt. Zu wenige Menschen ergeben eine falsche Welt, zu viele gar keine, schrieb Canetti. Um Nerbal herum sind – oder waren – definitiv zu wenige Menschen, besser gesagt nur einer: seine Frau Liliane, die ihm alles bedeutet. "Es ist ein Irrtum, abschließen zu wollen", heißt es in Passion. Es gibt Geschichten, davon spricht diese Prosa, die nie enden. (Stefan Gmünder)
Dante Andrea Franzetti: "Passion. Journal für Liliane". Haymon-Verlag 2006, 120 Seiten, 19,90 Euro
(CURE, 14.4.2017)