Prishtina/Belgrad/Paris – Der kosovarische Präsident Hashim Thaçi will laut Medienberichten Serbien wegen Völkermordes vor Gericht bringen. Die notwendigen Schritte seien eingeleitet, zitierte der staatliche TV-Sender RTK den Präsidenten am Mittwoch. Ob sich die Völkermordklage auf den gesamten Kosovo-Krieg (1998/99) oder nur auf einzelne Kriegsverbrechen bezieht, konkretisierte Thaçi demnach nicht.

Die Beziehungen zwischen Serbien und dem Kosovo haben sich zuletzt deutlich verschlechtert. Anfang des Jahres war der frühere UCK-Befehlshaber Ramush Haradinaj aufgrund eines Auslieferungsantrags Belgrads in Frankreich festgenommen worden. Serbien wirft ihm Kriegsverbrechen während des Kosovo-Krieges vor.

Das zuständige Gericht im französischen Colmar soll am Donnerstag erneut den Auslieferungsantrag überprüfen. Eine Entscheidung über das Gesuch Belgrads wird es einer Gerichtssprecherin zufolge morgen jedoch noch nicht geben.

Keine Parlamentssitzung

Das Parlament in Prishtina beschloss unterdessen, bis zum Abschluss des Verfahrens gegen Haradinaj in Frankreich keine Parlamentssitzung mehr abzuhalten. Erst Anfang März hatte das Parlament die Regierung verpflichtet, den EU-geführten Dialog mit Belgrad bis zu seiner Freilassung auszusetzen.

Während des Kosovo-Krieges 1998/99 war Haradinaj Chef der Kosovo-Befreiungsarmee (UCK) im Westen der damaligen südserbischen Provinz. Im Dezember 2004 wurde er zum Regierungschef des Kosovo gewählt. Nach hundert Tagen im Amt trat er zurück, um sich den Vorwürfen des UNO-Kriegsverbrechertribunals für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) in Den Haag zu stellen. 2008 wurde Haradinaj freigesprochen. Als der Prozess zum Teil wiederholt worden war, wurde er 2012 erneut freigesprochen. Wegen des internationalen Haftbefehls Serbiens war Haradinaj schon einmal im Juni 2015 kurzzeitig in Slowenien festgenommen worden.

Die serbischen Behörden wollen Haradinaj dennoch strafrechtlich verfolgen. Die serbische Justizministerin Nela Kuburovic erklärte am Donnerstag, der ICTY-Prozess habe sich auf Vorwürfe des Jahres 1998 bezogen. Die aktuellen Vorwürfe Belgrads beträfen aber Geschehnisse im Jahr 1999. (APA, 5.4.2017)