Bei den sogenannten Jihadistenprozessen im Grazer Landesgericht gelten auch rund um das Gerichtsgebäude verschärfte Sicherheitsmaßnahmen. Dieses Bild stammt aus dem Vorjahr.

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Graz – Es war der Tag, an dem ein Selbstmordattentäter in der U-Bahn in St. Petersburg 13 Fahrgäste mit in den Tod riss und weitere 45 Passagiere verletzte. Der Täter wurde bald identifiziert. Der 22 Jahre alte Mann soll in Verbindung zur Terrormiliz "Islamischer Staat" gestanden sein.

1.700 Kilometer entfernt sitzt zu dem Zeitpunkt im Schwurgerichtssaal des Straflandesgerichts Graz ein 26-jähriger Österreicher auf der Anklagebank. Kein potenzieller Selbstmordattentäter, aber einer, dem vorgeworfen wird, geplant zu haben, ebenfalls in Syrien für den IS zu kämpfen.

Zwei seiner Freunde sind mitangeklagt, aber abgetaucht. Der eine lebt in der Türkei, dortige Anwälte hätten ihm davon abgeraten, nach Österreich zurückzukehren, da dort eine "antiislamische Stimmung" herrsche, zitiert der Grazer Pflichtverteidiger aus einer E-Mail-Korrespondenz mit seinem Mandanten.

Emrullah K. ist seiner Erscheinung nach ein gemütlicher Typ. Etwas pummelig, das helle Hemd lässig außen tragend, ein volles, lächelndes Gesicht. Er spricht eine klare, deutliche Sprache mit gut gewählten Worten, der Bart ist gekürzt, die Haare frisch geschnitten. Den Staatsanwalt interessiert die Optik nicht: "Wir haben in Österreich ein sehr großes Problem mit dem radikalen politischen Islamismus. Und der Angeklagte zählt zu den besonders Radikalen."

Radikale religiöse Lebensweise

Ja, es sei richtig, dass er in Syrien gewesen sei, gibt der junge Mann zu, aber nicht aus den Motiven, die ihm die Staatsanwaltschaft vorwerfe. Er habe sich im türkisch-syrischen Grenzbereich um neuen Wohnraum umschauen wollen. Für sich und seine Frau, die er nur nach islamischem Recht in Österreich geheiratet habe, und den drei kleinen Kindern.

"Dort, wo Menschen in Massen getötet, massakriert werden, wo die Häuser zerstört sind?", wird er gefragt. "Nein, wenn dort der Bürgerkrieg vorbei ist", wollte er hin, sagt er. Um seinen Glauben mit Frau und Kindern leben zu können. Denn in Österreich habe er sich nicht akzeptiert gefühlt. "Die soziale Anerkennung hat mir gefehlt. Ich habe mich nicht verstanden gefühlt." – "Wegen der radikalen religiösen Lebensweise?" – "Ja, ich bin schief angeschaut worden, und meine Frau auch."

Er habe eine Zeitlang einen langen Bart getragen, seine Frau eine Vollverschleierung. "Wir waren der Überzeugung, dass das verpflichtend ist. Das hat man uns halt g'sagt." Nach intensiveren Studien des Korans sei er daraufgekommen, dass es auch weniger streng gehe.

Es hätte alles auch ganz anders kommen können. Als Emrullah K. mit seinen Eltern aus der Türkei nach Österreich kam, war er gerade ein Jahr alt. Er besuchte die Volksschule, dann die Hauptschule, ein Jahr sogar das Gymnasium, dann die HTL, aber nichts war von Dauer. Bis auf die Kontakte zu Freunden, die einschlägige Hinterhofmoscheen in Graz besuchten. Er kam in den Dunstkreis radikaler Islamisten und Prediger.

Kurzschlusshandlung

Viele der Freunde seien dann "nach Wien mit ihren Familien übersiedelt, weil es dort islamische Kindergärten gibt". Auch K. ist nachgezogen. Und hat dort den Plan geschmiedet, nach Ägypten zu fahren, um Arabisch zu lernen, damit er den Koran noch besser verstehe. Von dort aus ging es mit Schleppern illegal nach Syrien, um – wie er sagt – Wohnmöglichkeiten auszukundschaften. Dort angekommen, sah er sich mit der Realität und der Verpflichtung konfrontiert, den Schwur auf den IS abzulegen. Er kehrte nach Österreich zurück.

Der Syrien-Trip sei "eine Kurzschlusshandlung" gewesen, sagt er vor Gericht. Was ihm der Staatsanwalt nicht glaubt. Die lange Vorbereitungszeit, die Tötungsfotos und IS-Propaganda auf dem Handy sprächen eine andere Sprache. "Ich hab keine Ahnung, wie das alles auf mein Handy gekommen ist", sagt er. Das Gericht wird am Donnerstag urteilen. (Walter Müller, 5.4.2017)