Straßburg – Ukrainer können voraussichtlich bereits ab diesem Sommer ohne Visa in die Europäische Union einreisen. Eine entsprechende Neuregelung verabschiedete das Europaparlament am Donnerstag mit großer Mehrheit. Die EU-Innenminister haben der Visafreiheit bereits grundsätzlich zugestimmt, sie müssen den Beschluss nun noch formal absegnen. Dies könnte bei ihren nächsten Treffen am 18. Mai passieren.

In diesem Fall kann die Visafreiheit bereits im Juni in Kraft treten. Ukrainer dürfen dem Beschluss zufolge künftig für maximal 90 Tage – innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen – in die EU einreisen. Dies gilt für Geschäftsreisen, touristische Aufenthalte oder Familienbesuche. Eine Arbeitserlaubnis ist damit nicht verbunden. Die Regelung gilt für alle EU-Staaten mit Ausnahme Großbritanniens und Irlands. Auch Island, Norwegen, die Schweiz und Liechtenstein haben sich der Initiative angeschlossen.

Die Visabefreiung für Ukrainer sei ein "lange erwarteter und überfälliger Schritt", betonte die deutsche Grüne Rebecca Harms. "Damit signalisieren wir der Ukraine, dass sie zu uns gehört." Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko gratulierte seinem Volk im Kurznachrichtendienst Twitter zu der neuen Reisefreiheit.

EU-Finanzhilfe in Milliardenhöhe

Am Mittwoch hatten die EU und der Internationale Währungsfonds (IWF) der Ukraine etwa 1,5 Milliarden Euro an Krediten überwiesen. Der IWF zahlte eine Milliarde Dollar (944 Millionen Euro). Zudem sei die zweite Tranche einer EU-Finanzhilfe in Höhe von 600 Millionen Euro eingetroffen, erklärte das Finanzministerium in Kiew. Damit habe die EU bisher 2,81 Milliarden Euro Finanzhilfe gewährt – die höchste für ein Nicht-EU-Mitglied. Bis Ende 2017 erwartet Kiew eine dritte Tranche aus dem 2015 beschlossenen Programm über 1,8 Milliarden Euro.

Vom IWF soll Kiew aus einem 2015 beschlossenen vierjährigen Stabilisierungsprogramm insgesamt 17,5 Milliarden Dollar erhalten. Im Gegenzug verpflichtete sich die Regierung zu einer Pensionsreform und der Freigabe des Handels mit Ackerland bis Ende 2017.

Schutzmechanismus

Um Visa-Missbräuchen vorzubeugen, hatte die EU im Voraus eine "Notbremse" eingeführt. Sie sieht vor, dass EU-Staaten bei Verstößen gegen das Aufenthaltsrecht oder bei steigender Kriminalität die Visapflicht für bestimmte Gruppen von Bürgern für zunächst neun Monate wiedereinführen können. Bleiben die Mängel bestehen, kann die Visafreiheit auch für alle Staatsbürger des betroffenen Landes ausgesetzt werden.

Die EU hat bereits mehr als 50 Staaten Visafreiheit gewährt – zuletzt im Februar für Georgien. Damit können hunderte Millionen Menschen ohne Visum bis zu 90 Tage in die EU einreisen. Anträge auf Visabefreiung der Türkei und des Kosovo liegen derzeit noch auf Eis, weil beide Länder nach Auffassung der EU die Voraussetzungen dafür noch nicht erfüllen. (APA, 6.4.2017)