Perugia – Was haben Journalisten aus der Türkei, Ungarn, den USA und von den Philippinen gemeinsam? In allen vier Ländern hat die Berufsgruppe Probleme mit autoritären Staats- oder Regierungschefs. Während Journalisten in dem einen Land mit dem Label "Fake News" diskreditiert werden, sorgen andere Machthaber dafür, dass kritische Reporter eingesperrt oder ganze Medienhäuser zugesperrt werden müssen.

Transparenz auf Ungarisch

Doch wie erkennt man autoritäre Strukturen und wie sollen Journalisten damit umgehen? Bei einem Panel auf dem Internationalen Journalismusfestival in Perugia haben sich Reporter und Experten aus den vier oben genannten Ländern mit diesen Fragen auseinandergesetzt. Einer von ihnen ist Tamás Bodoky. Er arbeitet seit den 1990er Jahren als freier Journalist in Budapest und gründete 2011 die Non-Governmental-Organisation atlatszo.hu, die eine Online-Webseite für investigative Recherche betreibt. Bodokys Ziel mit der Gründung von atlatszo.hu – "atlatszo" heißt auf ungarisch "transparent" – war es, die Abhängigkeit von regierungsnahen Investoren zu reduzieren.

Bis 2010 war die aktuell regierende Partei FIDESZ von Viktor Orbán noch in der Opposition und laut Bodoky gegenüber jeder Form von investigativem Journalismus positiv eingestellt – solange er sich gegen die damalige Regierung richtete. Dies änderte sich nach dem Jahr 2010, als Viktor Orbán Premierminister und kurz darauf unabhängige Positionen beim öffentlich-rechtlichen TV-Sender in Ungarn von FIDESZ-nahen Personen besetzt wurden. Investigative Reporter wie Tamas Bodoky wurden von der Regierung nun als "Volksfeinde" oder "Verräter" verunglimpft.

So ähnlich geht die ungarische Regierung auch gegen private Medienunternehmen vor, so Bodoky: "Kritisch berichtende Verlage werden rasch von der Regierung ins Auge gefasst und von Geschäftsleuten übernommen, die ihr nahe stehen". Dazu gehört seit 2016 mit "Nepszabadsag" auch die damals größte regierungskritische Tageszeitung des Landes, die der österreichische Unternehmer Heinrich Pecina im Herbst 2016 an die regierungsnahe Firma Opimus Press verkauft hatte.

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Proteste gegen die Einstellung des regierungskritischen "Nepszabadsag" in Budapest im Oktober 2016.
Foto: AP / MTI / Zoltan Balogh

Bodokys Plattform atlatszo.hu finanziert sich zu mehr als 50 Prozent über Crowdfunding, darüber hinaus erhält der Verein Spenden von den Open Society Foundations (OSF) des US-amerikanischen Milliardärs George Soros. Die OSF sind – wie andere NGO’s auch – häufig Ziel von Diffamierungskampagnen der ungarischen Regierung. Zuletzt sorgte ein geplantes Schließungsverfahren der von Soros finanzierten Central European University für Aufsehen. Premierminister Orbán hatte der Universität "Betrug" vorgeworfen.

Laut Bodoky habe sich in den letzten Jahren in ungarischen Mainstream-Medien die autoritäre Weltsicht aus der Perspektive von Russland durchgesetzt. Mit der Investigativ-Plattform atlatszo.hu versucht er, dagegen Widerstand zu leisten. (Philipp Pinterits, 6.4.2017)

Das Video zur Diskussion über "Reporting Emerging Authoritarism":

Auf dem Podium: Yavuz Baydar (Gründer P24, Türkei), Tamas Bodoky (Gründer Atlatszo.hu, Ungarn), Alexa Koenig (Director Human Rights Center UC Berkeley), John Nery ("Philippine Daily Inquirer")
International Journalism Festival