Foto: Veronika Felder

Perugia – "Flüchtlingskrise", "Balkanroute", "Obergrenze". Medienberichterstattung wird in vielen europäischen Ländern von Themen der Migration geprägt. Doch welche Geschichten werden erzählt, was wird berichtet – und genauso wichtig: was wird nicht berichtet?

"Forgotten news of migration" sind die Nachrichten, die es nicht in die Zeitung, auf die Bildschirme und in die Radios schaffen, die also von niemandem gehört, gesehen und gelesen werden und somit auch Großteils aus der gesellschaftlichen Diskussion ausgeklammert werden. Häufig handelt es sich dabei um Information, welche die Ursprungs- und Transitländer von Migranten und somit deren persönliche Schicksale betreffen.

Nur zwölf Tage ohne Story

Eine Studie der Medienbeobachter des "Osservatorio di Pavia" ergab, dass von Anfang Jänner bis Ende Oktober 2016 in den italenischen Zeitungen 1622 Artikel zum Thema Migration erschienen sind, an nur zwölf Tagen gab es keine Titelstory dazu. Aber auch in der europäischen Nachrichtenberichterstattung war das Thema stark vertreten. Mit 10,3 Prozent der Prime-Time-Nachrichtenzeit berichtete die deutsche ARD unter den untersuchten öffentlich-rechtlichen Stationenen am meisten über Migration. Nur 13 Prozent davon machten Hintergrundinformation zum Thema aus. Der EU-Durchschnitt liegt bei 5,8 Prozent Berichterstattung und zehn Prozent Hintergrundinformation.

Paola Barretta (Osservatorio di Pavia), Marino Sinibaldi (Direktor RAI Radio3), Giovanni Maria Bellu (President Carta di Roma), Zakaria Mohamed Ali (Archivio Memorie Migranti) (von links).
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Information über die betroffenen Personen, über ihre Herkunft und ihre Motive, aber auch den Weg nach Europa tritt häufig in den Hintergrund gegenüber Schlagzeilen über Integration, Kriminalität und Sicherheit. Die Berichterstatttung konzentriert sich mehr und mehr auf wenige Länder. So berichtete die ARD am häufigsten über das Horn von Afrika, Nordafrika, Afghanistan, Irak und Syrien.

Erzählen über Migration

Um den Lesern, Hörern und Zusehern ein vollständiges und angemessenes Bild zu vermitteln, was zu den prägendsten Ereignissen der modernen europäischen Geschichte gehört, können Journalisten die richtige Art des "Erzählens" lernen, sagt Marino Sinibaldi, Direktor von RAI Radio 3. Dafür brauche es mehr Qualität, weniger Quantität, aber auch eine Personalisierung der oft nicht greifbar wirkenden Entwicklungen. Die Menschen wollen Geschichten hören, und die sollen ihnen Journalisten erzählen.

Es kommt freilich nicht alleine auf die Geschichte an – sondern auf die Zusammenhänge, den Rahmen, für den Medienforscher: den Frame. Also etwa die Frage: Geht es wirklich um Gewalt und um Notfälle? Sinibaldi rät Journalisten deswegen zur Abkehr von schnellen News, hin zu wohlüberlegten Erzählungen über ein Thema, das seiner Individualität entsprechend abgehandelt wird. (Veronika Felder, 6.4.2017)

Das Video zum Panel:

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