Die Wirklichkeit als Antithese zu allem, was in der Werbung über die Segnungen der schönen neuen Arbeitswelt ("Sinn", "zufriedene Mitarbeiter", "Freiraum für Neues") verbreitet wird: Wer keinen Tag im Monat krank ist, darf sich im Logistikzentrum von Amazon in Pforzheim Goldmitarbeiter nennen. Bei einem Tag Krankheit bleibt Silber, und für zwei Krankenstandstage bekommt man immerhin noch den Bronzestatus. In fünf der insgesamt neun Versandzentren des US-Unternehmens in Deutschland soll es solche Gesundheitsprämien außerdem geben. Und natürlich sind Gold, Silber und Bronze nicht nur tolle Auszeichnungen, sondern ist daran auch Geld geknüpft. Die Message ist simpel: Wer seltener krank ist, bekommt mehr Geld. Einen höheren Bonus. Rechtlich in Deutschland korrekt, in Österreich nicht erlaubt.

Halleluja? Na ja. Wenn Führungskräfte nun auch im Zuge des betrieblichen Gesundheitsmanagements für die "Gesundheit" ihrer Teams verantwortlich sind, wenn Daten zu Fehlzeiten, Krankenständen, Toilettengängen allesamt auf Knopfdruck abrufbar sind: Welche Bewertungen impliziert das? Welche Schlüsse werden daraus gezogen? Wer wird befördert? Der Chef mit weniger Fehltagen im Team oder jener mit mehr Fehltagen?

Schlicht lässt sich Gesundheit in heimischen Firmen nicht abkaufen, verdeckt allemal. Welches Unternehmen will nicht die Krankenstandstage reduzieren? Welcher Mensch wird warum wohin aussortiert? (kbau, 10.4.2017)