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Tony Blair und Gerhard Schröder im Jahr 2005: Ihre moderat-sozialdemokratische Wirtschaftspolitik ist aktueller denn je.

Foto: AP/Euler

Wer sich in den vergangenen Jahren als Anhänger des sogenannten Dritten Wegs zu erkennen gegeben hat, musste damit rechnen, beschimpft oder ausgelacht zu werden. Der moderat-sozialdemokratische Kurs, der in den 1990er-Jahren von Tony Blairs New Labour und Gerhard Schröders SPD eingeschlagen wurde, galt vor allem im linken Lager als Irrweg. Blairs Einsatz für den Irak-Krieg und die Unzufriedenheit mit den sozialen Härten in Schröders Agenda 2010 haben den Ruf des einst von Anthony Giddens geprägten Begriffs schwer beschädigt.

Aber der Dritte Weg ist nicht tot. Gerade im Jahr 2017 gibt er kräftige Lebenszeichen von sich.

Effizienz vor Gerechtigkeit

Die Wirtschaftsphilosophie von Blair, Schröder, Bill Clinton, Franz Vranitzky und anderen lässt sich kurz auf folgenden Nenner bringen: Sie förderten die Marktwirtschaft als stärksten Wachstumsmotor und nutzten deren finanzielle Früchte, um Chancengleichheit zu fördern und den Sozialstaat zu stärken. Bei der Umverteilung hatte die praktische Effizienz Vorrang vor der hehren Gerechtigkeit.

Das ging nicht immer gut: Die Deregulierung der Finanzmärkte erwies sich später als Bumerang, und Schröders Arbeitsmarktpolitik erzeugte im Einzelfall zahlreiche Härtefälle.

Macron steht weder links noch rechts

Aber insgesamt ist die wirtschaftliche Bilanz des Dritten Wegs durchwegs positiv – und das einzige Rezept, mit dem Sozialdemokraten Wahlsiege einfahren können. Alle Experimente mit einem dezidierten Linkskurs, wie etwa Frankreichs Präsident François Hollande in seinen ersten Amtsjahren, mündeten im ökonomischen und vor allem im politischen Fiasko.

Gerade Frankreich entdeckt gerade die Vorzüge des Dritten Wegs. Zwischen den linksrevolutionären Träumen von Benoît Hamon und Jean-Luc Mélenchon, dem radikal-konservativen Programm von François Fillon und dem Rechtspopulismus von Marine Le Pen sticht Emmanuel Macron mit einem gemäßigten Reformprogramm hervor, das weder links noch rechts einzuordnen ist. Auch wenn er sich mit Details zurückhält, steht der ehemalige Investmentbanker und Wirtschaftsminister in einer sozialistischen Regierung klar in der Blair-Schröder-Tradition.

Schulz wendet sich der FDP zu

Auch in Deutschland marschiert Martin Schulz immer mehr auf dem Dritten Weg. Nachdem er für sein Liebäugeln mit der Linken durch die Wahlschlappe im Saarland bestraft worden ist, setzt er nun zunehmend auf eine Koalition mit Grünen und FDP. Sollte sich tatsächlich eine Mehrheit ausgehen, würde eine solche Regierung versuchen, Marktwirtschaft, Umweltbewusstsein und Hilfe für die sozial Bedürftigsten zu verbinden – die Quintessenz eines Dritten Wegs.

Selbst in Österreich verfolgt Kanzler Christian Kern nach seinen frühen Ausflügen in linke Visionen nun eine Wirtschaftspolitik, die auf Wachstum und Arbeitsplätze statt auf Umverteilung setzt.

Opposition oder Pragmatismus

Linksparteien, die pragmatische Ziele der reinen Ideologie opfern, sind zum Dauerexil in der Opposition verdammt – wie etwa Spaniens Podemos oder Jeremy Corbyns Labour-Partei. Und wenn sie doch einmal siegen, schwenken sie bald auf einen Kurs der Mitte ein, wie Frankreichs Sozialisten und Griechenlands Syriza.

Die Spannungen zwischen Idealen und ökonomischen Realitäten innerhalb der Sozialdemokratie werden auch die neue Generation von Anhägern des Dritten Weges unter Druck setzen und manche politisch scheitern lassen. Aber eine bessere Alternative links von der Mitte ist auch heute nicht in Sicht. (Eric Frey, 9.4.2017)