Viele Fragen zum US-Militärschlag gegen einen Luftwaffenstützpunkt des syrischen Regimes in der Nacht zum Freitag sind noch unbeantwortet: Weder sind die gesamte Vorgeschichte und Donald Trumps Motivationslage ganz klar, noch ist abzusehen, welche Folgen das US-Eingreifen gegen das Regime von Bashar al-Assad mittelfristig haben wird. Einmal angenommen, es handelt sich nicht nur um einen emotionalen Ausbruch des US-Präsidenten, sondern um eine mit einem Paukenschlag eingeleitete neue Syrien-Strategie: Ob diese begrenzte Militäraktion als Mittel zum Zweck ausreicht, einen russisch-iranisch-syrischen Kurswechsel auf dem Weg zu einer syrischen Nachkriegsordnung zu erzwingen, ist zumindest fraglich.

Überhaupt keine Rolle spielt in den meisten Debatten die Legalität: Das wird jedoch von vielen Medienkonsumenten und -konsumentinnen kritisiert. Sie können auch ohne jede Sympathie für Bashar al-Assad nicht verstehen, wie Politiker westlicher Demokratien – etwa die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, ein Leuchtturm für Korrektheit und Rechtsstaatlichkeit – kein Problem damit zu haben scheinen, dass der Militärschlag völkerrechtlich fragwürdig war, sondern ihn im Gegenteil offen begrüßen.

Die Rechtslage ist in der Tat schwierig: Die Sicherheit der USA und ihrer Verbündeten, die Trump als Grund anführte, waren nach dem Giftgasangriff von vergangener Woche nicht mehr bedroht als während des gesamten Syrien-Kriegs. Und die im Völkerrecht ziemlich neue und noch nicht ausdiskutierte Schutzverantwortung – "responsibility to protect" – passt so gar nicht zu dieser US-Regierung. Der Krieg, bei dem Zivilisten getötet werden, geht außerdem auch ohne Giftgas weiter, bei eher gesunkenen als gestiegenen Aussichten auf einen Waffenstillstand.

Und dennoch hat Donald Trump in den Augen vieler, auch seiner Kritiker, an Statur gewonnen, weil er eine Militärbasis bombardieren ließ. Das Lob von Regierungs- und Staatschefs ist wohl vor allem ein Ausdruck der großen Frustration, eine kurze Illusion, dass sich an der Hilflosigkeit, mit der dem Schlachten in Syrien zugesehen wird, etwas ändert. Es gibt eine Hoffnung wieder, dass dem syrischen Regime, das unisono als Urheber des Giftgasangriffs bezeichnet wird, zumindest die Lust auf das Töten mit illegalen Waffen vergeht. Eine Kritik an der mangelnden Rechtsbasis anzubringen, wäre als Verrat an den Opfern von Khan Shaykhun und des ganzen Krieges empfunden worden und hätte auch den erwünschten Droheffekt – der sich durchaus auch an andere Adressaten wie, ganz aktuell, Nordkorea richtet – abgeschwächt.

Es ist anzunehmen, dass die Politikeräußerungen aus anderen Ländern skeptischer würden, wenn sich eine andauernde US-Intervention ohne Mandat gegen Assad entwickeln würde. Denn alle betonten gleichzeitig, wie wichtig ein diplomatischer Prozess zur Beendigung des Konflikts ist.

Auch der rechtliche Hintergrund für das Eingreifen der USA und ihrer Partner im Kampf gegen den "Islamischen Staat" in Syrien ist gar nicht so klar, wie sich das manche vielleicht vorstellen. Es gibt – anders als im Irak – keine Einladung einer syrischen Regierung und ebenfalls kein eindeutiges Mandat des Uno-Sicherheitsrates. Und doch wird sich niemand über eine Intervention beschweren, die dieser Geißel der Menschheit hoffentlich bald den Garaus macht. (Gudrun Harrer, 9.4.2017)