"Derby of the Doomed": Am selben Tag an dem SANZAAR die Auflösung dreier Teams ankündigt treffen in Perth die Western Force (links: Dane Haylett-Petty) und die Southern Kings aufeinander. Beide Franchises werden aller Wahrscheinlichkeit nach in der kommenden Saison nicht mehr existieren. Die Kings aus Südafrika waren 2016 das zweitschwächste Outfit im Super Rugby, nur die japanischen Sunwolves hatten eine noch schlechtere Bilanz.

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Cheetahs Fly-half Ruan Van Rensburg (rechts) im Duell mit Ramiro Moyano von den argentinischen Jaguares. Auch für die Mannschaft aus Bloemfontein, die in den letzten Jahren eine solide sportliche Bilanz vorweisen konnte, dürfte die Uhr ablaufen.

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Wien/Sydney – Am Sonntag hatten Warterei und Spekulantentum ein Ende. Super Rugby, der mutmaßlich immer noch qualitätsvollste Rugby-Bewerb auf diesem Globus, sortiert drei seiner Teams aus und dampft sich ab der nächsten Saison selbst von 18 auf 15 Teilnehmer ein. Das gab SANZAAR, der organisierende Dachverband, gebildet aus Vertretern aus Südafrika, Australien, Neuseeland und Argentinien, bekannt.

Schon seit Monaten waren die Auguren emsig damit beschäftigt, zu eruieren, wen das Fallbeil treffen würde. Sie lagen nicht weit von der Wahrheit entfernt: Australien verliert eine (von bisher fünf), Südafrika zwei (von sechs) Mannschaften. Die Kontingente Neuseelands (5), Argentiniens und Japans (je 1) bleiben unangetastet.

Wen es letztlich trifft, das liegt nun in der Hand der nationalen Verbände – doch es gibt klare Favoriten: Western Force aus Perth, die Cheetahs aus Bloemfontein sowie die Kings aus Port Elizabeth dürften die kommende Saison nicht mehr erleben. Während die Australier rasch entscheiden wollen, gibt sich Südafrikas Verband bis Ende Juni dafür Zeit, was scharfe Kritik vonseiten der Spielervereinigung MyPlayers nach sich zog: Man könne die Profis nicht so lange im Ungewissen lassen.

Eine kuriose Laune des Schicksals muss es gewesen sein, dass sich Force und Kings ausgerechnet an jenem Sonntag im direkten Duell gegenüberstanden. Und die beiden Streichkandidaten lieferten sich einen hochspannenden Thriller, den die Australier schließlich nach insgesamt elf Tries mit 46:41 für sich entschieden.

Force vs. Kings: Höhepunkte.
All Blacks

Zu schnell zu groß?

Es ist ein Vorgang, der für das europäische Sportverständnis (noch) schwer verständlich erscheint. Doch Super Rugby ist eine zentral gesteuerte Unternehmung, die auf dem Franchising-System basiert. Die Liga ist eine geschlossene Gesellschaft ohne Auf- oder Absteiger, Lizenzen werden durch die nationalen Verbände nach Maßgabe des von SANZAAR vorgegebenen Formats vergeben. Die Franchises repräsentieren regionale Einzugsgebiete, zumindest in Südafrika basieren sie jedoch auf Klubs mit langer Tradition.

Der Einschnitt beendet eine bisher ungebremst vorangehende Geschichte der Expansion. Seit der Professionalisierung des Rugbysports und der damit einhergehenden Gründung von SANZAAR im Jahr 1995 hat sich das Feld im Super Rugby von zwölf auf die gegenwärtigen 18 ausgedehnt. 2016 kam mit den Lions ein sechstes Team aus Südafrika hinzu, die einschneidende Neuerung war jedoch die erstmalige Inklusion von Franchises aus Argentinien und Japan.

Konnte mit Blick auf die Jaguares aus Buenos Aires, mehr oder weniger ident mit dem argentinischen Nationalteam, noch mit sportlicher Entwicklungshilfe für ein aufstrebendes Rugbyland argumentiert werden, gilt das im Fall der Tokioter Sunwolves eher nicht. Hier liegen vielmehr strategisch-ökonomische Überlegungen zugrunde. Gelänge es, den Sport in Japan, 2019 Ausrichter der Weltmeisterschaft, und darüber hinaus im weiteren asiatischen Markt zu popularisieren, eröffneten sich ungeahnte wirtschaftliche Möglichkeiten. Auch darin liegt begründet, dass die Sunwolves, Prügelknaben der Liga, nicht in Gefahr waren, rasiert zu werden.

Neuseeländische Herrschaft, weniger Fans

Dass die Notbremse gezogen wurde, hat Gründe, und zwar keine erfreulichen. Bereits seit Jahren werden zum Teil dramatisch gesunkene Zuschauerzahlen bei den Matches registriert, das gilt sowohl für die Kulisse in den Stadien selbst (obwohl aktuelle Zahlen kaum zu bekommen sind, dürfte in Südafrika im Vergleich zu 2006 der Rückgang mindestens ein Drittel betragen) als auch für jene vor den TV-Schirmen. Letzteres wird für SANZAAR, das einen erklecklichen Teil seiner Einnahmen durch Verträge mit dem Bezahlfernsehen generiert, perspektivisch zur Gefahr.

Die Ursachenforschung bezüglich der Popularitätsdelle förderte zwei Problembereiche zutage. Erstens: ein konsumentenunfreundliches Format, unübersichtlich und auf vier Conferences in 16 Zeitzonen aufgebläht. Um zu verstehen, wer gegen wen antritt und auf welch verschlungenen Wegen Playoff-Teilnehmer ermittelt werden, ist erhebliche Expertise die Voraussetzung. Fans in Australien müssen, sollten sie sich für Matches aus den beiden Afrika-Gruppen interessieren, mitternächtlichen Anpfiffzeiten trotzen.

Zweitens: Verwässerung der Spielqualität. Sowohl in Australien als auch in Südafrika sind die Anzeichen einer sportlichen Krise unübersehbar. Eddie Jones, australischer Erfolgsteamchef der englischen Nationalmannschaft, gab unlängst zu Protokoll, dass ihn eine erkleckliche Zahl von Super-Rugby-Matches in den Schlaf sinken lässt.

Während auf dem Fünften Kontinent die Zahl der Aktiven stetig sinkt, haben die Südafrikaner mit einem nie gekannten Exodus von Spitzenkräften zu kämpfen. Mehr als 300 der besten Spieler sind mittlerweile ins Ausland abgewandert, ganz überwiegend in die zahlungskräftigen europäischen Ligen. Das macht sich auch bei der Performance des Nationalteams bemerkbar, die einst mächtigen Springboks erlitten 2016 ein Annus horribilis. Die zusätzlichen Reisestrapazen nach Argentinien und Japan hatten zur Folge, dass regelmäßig B-Teams über die Ozeane entsandt wurden.

Dagegen wird die Dominanz der neuseeländischen Franchises immer eklatanter, was auch nicht unbedingt zur Brisanz des Bewerbs beiträgt. Ob eine Konzentration der Kräfte daran etwas ändern wird, bleibt abzuwarten.

Widerstand

Cameron Clyne, Vorsitzender des australischen Verbandes (ARU), sagte, die ARU habe selbst auf eine Reduktion ihrer Vertreter gedrängt. Die Ertragslage der Franchises sei in eine derartige Schieflage geraten, dass der Verband immer öfter eigene Mittel habe zuschießen müssen. Dies sei auf Dauer nicht tragbar, ohne Investitionen in den Breitensport zu gefährden, so Clyne weiter. Die nun vor dem Aus stehende Western Force hatte im letzten Jahr überhaupt nur durch eine Übernahme durch die ARU vor der Zahlungsunfähigkeit gerettet werden können. Den Verband kostete das 3,8 Millionen Euro.

SANZAAR-Chef Brent Impey meinte über die Gesundschrumpfung, zu der sich seine Organisation gezwungen sah: "Diese Entscheidung war nicht einfach. Wir verstehen sowohl die Schwierigkeiten, die mit der Reduktion einhergehen, als auch, dass es sehr enttäuschte Franchises geben wird."

Damit könnte er untertrieben haben. Western Australia Rugby, der Regionalverband, in dessen Zuständigkeitsbereich die Western Force fällt, hat der ARU bereits damit gedroht, gerichtlich gegen die Streichung "ihrer" Franchise vorzugehen. Das berichtete der "Sydney Morning Herald" am Montag. Und auch die Cheetahs wollen ihre Einsparung nicht kampflos hinnehmen. Geschäftsführer Harold Verster sagte gegenüber sarugbymag.co.za, man könne "überzeugende Argumente" für ein Verbleiben im Bewerb vorbringen. Welche das sind, wollte Verster zwar nicht verraten, man habe aber jedenfalls "einige Asse im Ärmel".

Fest steht, dass ein Aus der Cheetahs einen harten Schlag für eine der traditionsreichsten Rugby-Regionen Südafrikas bedeuten würde. Das Spiel hatte sich im stark burisch geprägten Free State (dem ehemaligen Oranje-Freistaat) früh zu einer Art nationalem Symbol der Afrikaaner im Widerstand gegen britische Dominanz entwickelt. Es war kein Zufall, dass der erste Verein auf südafrikanischem Boden 1902 in dessen Hauptstadt Bloemfontein gegründet wurde. Bis heute gilt der Freistaat als einer der wichtigsten Talentepools des Landes. (Michael Robausch, 11.4. 2017)