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Vorbildliche Frauenpolitik zum Trotz: Am 27. Oktober 2016 musste auch in Island ein Equal Pay Day begangen werden. Aktivistinnen protestierten für faire Löhne vor dem Parlament in Reykjavík.

Foto: AP/Frank Augstein

Island wird häufig als Referenz für gleichstellungspolitische Maßnahmen und Erfolge bemüht. 90 Prozent der isländischen Väter nützen ihren Anspruch auf "Geburtskarenz", so die geschlechterneutrale Bezeichnung. Mehr als 90 Prozent der Kinder unter fünf Jahren befinden sich in Kinderbetreuungseinrichtungen, die zu 95 von den Gemeinden getragen werden. 83 Prozent der Isländerinnen sind erwerbstätig, 48 Prozent der Abgeordneten im isländischen Parlament sind Frauen. Dass Island hinsichtlich Gleichberechtigung vieles richtig macht, hält seit 2009 auch das "Global Gender Gap Report Ranking" fest, das weltweit Geschlechtergerechtigkeit misst und vergleicht.

Ein Vergleich, der Österreich in vielerlei Hinsicht blass aussehen lässt: 30,6 Prozent beträgt der Frauenanteil im österreichischen Parlament, von den vierzehn Regierungsmitgliedern sind gerade einmal drei Frauen. Auch bei der Ausgewogenheit der Kinderbetreuung durch Väter und Mütter steht Österreich nicht gut da: Nur 19 Prozent der Väter gehen in Karenz, in Deutschland sind es immerhin 34 Prozent.

50-Prozent-Marke überschreiten

Nationalratspräsidentin Doris Bures war vergangene Woche gemeinsam mit Österreichs Frauen- und Gleichbehandlungssprecherinnen Gisela Wurm (SPÖ), Dorothea Schittenhelm (ÖVP), Berivan Aslan (Grüne), Claudia Gamon (Neos), Martina Schenk (Team Stronach) und Carmen Schimanek (FPÖ) im Gleichstellungsmusterland zu Besuch. Aus diesem Anlass betonte die isländische Parlamentspräsidentin Unnur Brá Konráðsdóttir die Vorbildwirkung für junge Frauen und Mädchen durch die Repräsentation von Frauen in der Politik und in der Wirtschaft – deshalb ginge auch in Island noch mehr: "Natürlich wünschen wir uns, dass wir die Marke von 50 Prozent eines Tages überschreiten", sagte Konráðsdóttir beim Besuch der Österreicherinnen.

Über die Vorbildwirkung hinaus geht ein Gesetzesentwurf, der sich gerade in Begutachtung findet. Dieser sieht vor, die gleiche Bezahlung von Männern und Frauen gesetzlich festzulegen, die Gehälter sollen demnach auch öffentlich einsehbar sein. Doris Bures zeigt sich auf Nachfrage des STANDARD insbesondere vom isländischen Karenzmodell beeindruckt: "Es ist besonders wichtig für den Erfolg isländischer Frauenpolitik, weil es starke Impulse für eine ausgewogene Aufteilung der Karenzzeit zwischen Vätern und Müttern setzt", sagt die Nationalratspräsidentin. Drei Monate Karenzzeit sind für den Vater, drei für die Mutter reserviert, und weitere drei Monate können individuelle aufgeteilt werde. Verzichtet der Kindsvater auf seine drei Monate, verfallen diese. Zu einem anderen Karenzmodell können die IsländerInnen nicht wechseln – es gibt nur dieses eine.

Österreich: Vorreiter im Sexualstrafrecht

"Das sind starke Impulse für eine ausgewogene Aufteilung der Karenzzeit zwischen Vätern und Müttern und auch ein starker Motivationsfaktor", so Bures. Hinzu komme, dass der Karenzanspruch für Väter und Mütter zwar insgesamt nur neun Monate betrifft, das Karenzgeld mit 80 Prozent des Gehalts allerdings relativ hoch ist. "Daher nehmen auch neun von zehn Männern Väterkarenz in Anspruch", zeigt sich Bures von dem Modell überzeugt.

Warum es in Österreich weit langsamer für Frauen vorangeht, sieht Bures vor allem in dem ungleich höheren Frauenanteil in schlecht bezahlten Branchen und in der klaffenden Lohnschere begründet. "Außerdem vollbringen Frauen noch immer den Großteil unbezahlter Arbeit, und es fehlt an ganztägigen Schulen und Betreuungseinrichtungen für Kinder." In Island seien zudem auch die konservativen Kräfte fortschrittlicher als in Österreich, lautet eine weitere Einschätzung der Nationalratspräsidentin nach ihrem Island-Besuch. "Für engagierte Frauenpolitik braucht es ein breites Bündnis."

Doch immerhin können sich die isländischen Frauenpolitikerinnen zumindest in einem Punkt an Österreich orientieren: Seit der Reform des Sexualstrafrechts von 2015 hat Österreich zum Gewaltschutz und zum Schutz der sexuellen Integrität ein vergleichsweise fortschrittliches Gesetz. Die Vorsitzende des Gleichbehandlungsausschusses und SPÖ-Frauensprecherin Gisela Wurm betont in einer Aussendung die erreichten Verbesserungen in diesem Bereich: "Darauf können wir stolz sein. Unsere Gesetze gelten auch international als vorbildhaft."

In den meisten anderen frauenpolitischen Bereichen wird allerdings kein anderes Land Island seine Vorbildrolle so schnell streitig machen können. (beaha, 11.4.2017)