Ronnie O'Sullivan war schon fünfmal Weltmeister.

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Mark Selby hat immerhin schon zwei Titel (2014 und 2016) eingespielt.

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Sheffield – Der König heißt immer noch Ronnie O'Sullivan. Dass der 41-jährige Engländer den vorerst letzten seiner fünf WM-Titel 2013 gewann (der erste datiert von 2001), vergangenes Jahr schon in der zweiten Runde ausschied – geschenkt. Ronnie "The Rocket", der die bunten Bälle manchmal schneller in die Taschen zu befördern scheint als sein Schatten, ist nicht für seine Konstanz berühmt, sondern für seine Geniestreiche.

Auf Youtube findet sich ein millionenfach geklicktes Video, in dem man O'Sullivan dabei zusehen kann, wie er das flotteste "Maximum Break" der Snooker-Geschichte spielt, den Tisch also in einer Aufnahme komplett leert und dabei die höchstmögliche Zahl von 147 Punkten erzielt – in fünf Minuten und zwanzig Sekunden. Womöglich ein Rekord für die Ewigkeit. Es sind solche Sternschnuppen, die den Namen O'Sullivan auch jenseits der Snooker-Fangemeinde bekannt gemacht haben, auf der Insel ist der Mann aus Wordsley sowieso ein Megastar.

147Trance

Während der als "Black Ball Final" bekannte letzte Frame der WM zwischen Dennis Taylor und Steve Davis 1985 in Großbritannien von mehr als 18 Millionen Menschen weit nach Mitternacht live im Fernsehen verfolgt wurde, wird Snooker hierzulande von Unkundigen gelegentlich immer noch mit dem geläufigeren Poolbillard verwechselt.

Dabei möchte man den Unterschied Klavier spielen können: Wer sich mit bartauglichen Pool-Fähigkeiten an den Snookertisch wagt, erlebt sein vielfarbiges Wunder. Das Spielgerät scheint die Größe eines Fußballfeldes anzunehmen, die sechs Taschen sind dafür so eng geraten, dass die 22 Bälle nur bei äußerster Präzision des Stoßes fallen.

Was den selbst zum Queue greifenden Dilettanten frustrieren mag, gerät in den Händen der Profis zum faszinierenden strategischen Planspiel. Die Komplexität des Sports lässt nicht nur Platz für aggressive Angreifer wie O'Sullivan, die den Tisch leeren wollen, sobald sie die Chance dazu sehen. Auch feinsinnige Defensivkünstler gibt es, die den weißen Spielball am liebsten so hinter den Objektbällen verbergen, dass dem Gegner keine Möglichkeit zum geradlinigen Stoß bleibt – tatsächlich wird gerade ein solch perfides Versteckspiel als Snooker bezeichnet und so zum Namensgeber des Sports.

Meister des Safety-Spiels

Für Mark Selby, Weltmeister der Jahre 2014 und 2016, ist das alles kein Widerspruch. Er fühlt sich beim offensiven "Break Building" genauso zuhause wie im defensiven Safety-Spiel. Das und seine jüngst bestechende Form machen den 33-jährigen Titelverteidiger aus Leiceister zum Favoriten bei der diesjährigen WM, die von 15. April bis 1. Mai (Eurosport überträgt live, Forum+ auf derStandard.at) wie alle Jahre im legendären Crucible Theatre zu Sheffield über die Bühne geht.

Die Konkurrenz allerdings ist hart: Die besten 16 der Weltrangliste sowie 16 Qualifikanten treffen im K.-o.-System aufeinander, die Außenseiter stehen vor der Chance ihres Lebens. Die 15-jährige Nachwuchshoffnung Florian Nüßle aus Graz wäre zweifellos ein solcher, Selby und O'Sullivan brauchen den amtierenden österreichischen Staatsmeister aber diesmal nicht zu fürchten: Noch spielt der junge Mann nicht in ihrer Liga. (Anatol Vitouch, 13.4.2017)