Da standen sie nun, zwei Oxfordprofessoren inmitten einer Gegend in der Wüste Jordaniens, von der man sagt, dass einzig der Teufel hier gewohnt habe, bevor die Flüchtlinge kamen: Der Ökonom Paul Collier und der Politologe Alexander Betts besuchten Anfang 2015 das Flüchtlingslager Saatari, das größte im Nahen Osten und zweitgrößte der Welt. Sie staunten: Vier Jahre schon harrten dort knapp 90.000 Flüchtlinge aus, der Großteil davon dem Bürgerkrieg über die 13 Kilometer entfernte Grenze entkommene Syrer, die seither zwar in Sicherheit, aber auch zur Untätigkeit verdammt waren.

Gleichzeitig aber sahen Collier und Betts, dass nur eine Viertelstunde von Saatari entfernt eine völlig andere Welt lag: eine riesige, gut ausgebaute Wirtschaftszone, die brachlag, vom Krieg im Nachbarland zum Erliegen gebracht. Es war der Start, neue Ideen auszutesten, die sich um die Frage drehen, ob ein Land den Zustrom von Flüchtlingen nicht eher als Chance anstatt als Last betrachten könne. Herausgekommen ist ein Buch, das kein idealistisches ist, auch kein moralisierendes, sondern ein praxisorientiertes, in pointiertem, aber nüchternem Tonfall gehalten. Collier und Betts plädieren dafür, die Selbstständigkeit der Flüchtlinge durch Arbeit und Bildung wiederherzustellen und den Fokus nicht mehr nur auf Staat und Zivilgesellschaft, sondern vermehrt auch auf Privatwirtschaft zu legen. Und sie betonen, dass die nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelten Instrumente – Genfer Flüchtlingskonvention, UNHCR, Schengen-Abkommen – dringend reformiert werden müssen.

Eines ihrer zentralen Argumente lautet, dass es die Reaktion der Politiker war, die die sogenannte Flüchtlingskrise erst zu einer Krise hat anwachsen lassen. Die Antwort der Politiker, vor allem jener in Europa, schwanke "zwischen kopflosem Herz und herzlosem Kopf". Dabei sei beides fatal: Abschottung ebenso wie offene Grenzen. (Anna Giulia Fink, 13.4.2017)