"Niemals ist eine mondäne Frau reizvoller, als wenn sie graziös die lange, dünne Zigarettenspitze zum Munde führt ..."

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Eine Dame taucht auf. Ihr Haar trägt sie wie Ruth von Morgen, das Lippenrot nach Louise Brooks, den Arm verlängert eine Zigarettenspitze. Ein feiner Flapper unter Jägern, Frack und Blaumann. Geraucht wird, was das Zeug hält, auch Herr Miklas ist dabei. Seit kurzem Bundespräsident, entspannt er hier bei einer Zigarre. Über ihm prangt auf rotem Grund dick und weiß DER RAUCHER. "[K]eine Klasse und keine Rasse", bisher "überhaupt ganz unorganisiert", kann man ihn um 40 Groschen kaufen.

So präsentiert sich die erste Ausgabe der Österreichischen Raucherzeitung vom 25. Mai 1929. Das neue Organ der Tabakregie soll "ein Treffpunkt für alle" werden, "die am Rauchen Freude" haben, natürlich auch für Frauen. Der Beitrag "Die Dame mit der Zigarette" der Schriftstellerin und Journalistin Elsa Tauber macht den Auftakt: "Niemals ist eine mondäne Frau reizvoller, als wenn sie graziös die lange, dünne Zigarettenspitze zum Munde führt und ihre Blicke sagen läßt, was der mit dem Rauchen beschäftigte Mund verschweigt", heißt es darin.

Raucherkarten nur für Männer

Tauber erinnert auch an die Kriegszeit, als es Raucherkarten nur für Männer gab und Frauen gezwungen waren, "dem Gatten oder guten Freunde [...] die ihm zugewiesene Tabakration abzuschmeicheln und in heimlichem Schwelgen zu genießen". Die vor kurzem noch "verlästerte" Raucherin stellt sie der rauchenden Frau "des Orients" gegenüber, welche hinter "verschwiegenen Haremswänden" schon länger das "süße Nichtstun damit sich verschönte, den Rauchringen ihrer Zigarette nachzuträumen". Die entsprechende Illustration zeigt diese auf dem Diwan; das europäische Pendant wirkt da mobiler: Im Negligé im Bett sitzend, wird sie gleich zum Telefon greifen – und vielleicht jenes Rendezvous ausmachen, dessen Zeugin eine "Egyptische" in Philipp Winters "Monolog einer Zigarette" wird: "Bonbons verschwinden, eine Banane wird entschält, die Likörgläschen klirren aneinander ... sie nähert ihre schlanken, langen Finger, und weich und zart faßt sie mich. Zwischen grellrote, kleine, kühn geschwungene Lippen, die mich süß umfangen, werde ich gehoben – ich bin selig. Die Lippen saugen, sie pressen mich. Ich beginne in Rauch aufzugehen, Stück für Stück zu Asche zu werden. Ist das Ende da?"

Große Lebedame

Die schlanke, handliche Form der Zigarette wird nicht nur zum Signum modernen, schnellen Tabakgenusses, sie bietet sich zu erotisch aufgeladenen Vergleichen an, die auf den Frauenkörper und vermeintlich genuin weibliche Eigenschaften verweisen sollen. Frau und Zigarette scheinen wie geschaffen füreinander, die "Erotik des weiblichen Rauchens" scheint offensichtlich. Das gleichnamige Vorwort zu Heft 6 des Jahres 1930, dessen Titelseite Arthur Schnitzler zeigt, betont, dass Frauen "durch das Zuspitzen der Lippen und das Ausblasen des Rauches ihren Liebreiz und Charme in vollendeter Weise zur Geltung bringen können". Der rauchenden Frau sei anzusehen, dass "sie dabei irgend etwas erwartet". In einer Befragung zu den Gründen des Rauchens vermeldet die "große Lebedame", sie rauche, weil "man dabei die schöne Hand und den glatten Arm sehen lassen kann". Frauen rauchten, weil sie gefallen wollten, oder, wie Sigmund Freud wusste, "Emancipationsgelüste" hatten. Jedenfalls bedurfte es einer Erklärung des weiblichen Tabakgenusses – die Zeit der rauchende Frauen karikierenden Darstellungen war vorbei.

Mondäne Raucherin

Wenn Raucherinnen überhaupt Ziel von Satire wurden, dann etwa mit Blick auf ihren nunmehr ausgeprägten Zigarettenappetit: "Sehr schön, so ein Souper. Wenn man bloß nicht immer zwischen zwei Zigaretten etwas essen müsste!", bedauert eine mondäne Raucherin in einer Ausgabe der Lustigen Blätter von 1926.

Frauen rauchen! Nur wie, wann und wo? "Die Dame raucht, raucht im Freien, raucht auf der Straße", lautet das Ergebnis des bebilderten Lokalaugenscheins von Philipp Winter. Die rauchende Frau als Phänomen, das es zu erforschen gilt. Dabei bekommen in der Raucherzeitung die "Nörgler, welche die alten Zeiten loben und preisen, wo Frauen nur bei Strickstrumpf und Kaffee saßen", ebenso ihr Fett ab wie die "Heuchelei" der "'sittsamen Frau von gestern'", die "möglichst im Verborgenen" dem Tabakgenuss frönte. Das Rauchen sei für die Frau "nicht mehr Modesache, Schrulle oder Geste, es ist für sie geworden, was es für die Männer seit drei Jahrhunderten ist: eine Gewohnheit", stellt Ethel Mannin 1932 fest.

Mundstück aus roter Seide

Dass es sich bei der Aneignung moderner, vormals männlicher Privilegien jedoch keineswegs um eine "unweibliche" Angelegenheit handelt, bemüht man sich hervorzuheben. Dabei helfen eigens für die rauchende Frau hergestellte Tabakwaren wie die ab 1928 vertriebene ASTA-Zigarette mit einem Mundstück aus roter Seide, welche die "Tabakregie den Frauen geschenkt hat, damit die Spuren nachgefärbter Lippen sich nicht beim Rauchen verraten". "Eine ganze Industrie wurde dadurch belebt", schreibt Tauber über die Rauchutensilien der modernen Dame. Zu dieser Belebung trugen exotisierende Frauennamen, die man Zigarettenmarken gab, bereits vor 1900 ebenso bei wie das Auftauchen von Frauen in Zigarettenwerbungen; als Raucherinnen sollten sie aber erst nach und nach in Erscheinung treten.

Mit dem aktiven, selbstbestimmten Rauchen korrespondiert nach dem Ersten Weltkrieg der mobile, sportliche Frauenkörper; die Dame von Welt soll das weibliche Rauchen als seriöses Unterfangen etablieren helfen. So sehr die Tabakindustrie es befördern will – und dieser Bewerbung emanzipatorische Kräfte innewohnen -, so ambivalent und beschränkt auf das Unternehmen, eine neue Zielgruppe zu erreichen, erscheint der Umgang mit der "neuen Frau", deren Modernität durch die subtile Betonung traditioneller Geschlechterrollen gezähmt wird.

Dies offenbart die Beschreibung jener Frauen, die in der glamourösen Werbeikonografie des Rauchens nicht vorkommen. So erinnert eine Reportage über die Zigarrenproduktion in der Ottakringer Tabakfabrik daran, dass man "das köstliche Kleinod Frauenfingern verdankt, daß fleißige und geschickte Frauenhände emsig tätig sind, Zigarren über Zigarren zu schaffen, daß das Weib hier still und unaufdringlich für den Mann sorgt, ihm hilft, in Leidenschaft zu genießen. Das sind die braven Tabakmädel da draußen in Ottakring", wo "flinke Hände" "legen", "kleben", "heften", "füllen". (Katharina Manojlovic, 17.4.2017)