Der Mythos von Künstlern, die ein Dasein am Existenzminimum fristen, während der Handel mit ihren Werken das große Geld verdient, war ein von Befürwortern des Folgerechts gerne lancierter. Tatsächlich entsprach er schon im Vorfeld der EU-Richtlinie von 2001 einem anachronistischen Klischee.

Forciert wurde die Verabschiedung von Ländern wie Deutschland und Frankreich, in denen diese Regelung bereits bestand. Sie sahen sich im Wettbewerb mit Nationen ohne vergleichbare Bestimmungen benachteiligt und setzten für 28 EU-Staaten eine Vereinheitlichung durch.

Seither erhalten lebende Künstler oder bis zu 70 Jahre nach deren Tod die Rechtsnachfolger eine bei jedem Verkauf eines Kunstwerkes anfallende Folgerechtsgebühr: Ab einem bestimmen Schwellenwert sind es bis zu einem Verkaufspreis von netto 50.000 Euro vier Prozent, maximal 12.500 Euro je Kunstwerk und Besitzerwechsel.

Der Aufwand steht in keinem Verhältnis zum Ergebnis

Einzig die Schweiz hatte sich schon 1992 gegen eine Einführung ausgesprochen. Im Zuge einer Novellierung diskutierte man das Thema 2016 im Bundesrat und verzichtete erneut, da "eine breite individuelle wirtschaftliche Besserstellung der Kunstschaffenden nicht erreicht werden könne". Die Entscheidung stützte sich auf Erfahrungswerte und konkrete Statistiken der EU-Staaten, die belegen, dass der administrative Aufwand in keinem Verhältnis zum Ergebnis steht. Im EU-Schnitt wirft das Folgerecht für vier von fünf lebenden Künstlern jährlich weniger als 1500 Euro ab.

Beispielhaft sind auch die Zahlen Großbritanniens: Von etwa 52.000 lebenden Künstlern erhalten durchschnittlich 600 oder 1,1 Prozent jährlich eine Vergütung. Kein Wunder, dass die von der EU aufoktroyierte Bestimmung im Zuge des Brexits nun zur Diskussion steht. Sollte das "Artist Resale Right" dort fallen, hätte das punkto Wettbewerb Auswirkungen auf ganz Europa. Konkret in einer Verlagerung des Handels nach Großbritannien, der nicht ohne Effekt auf den Arbeitsmarkt der Branche in Resteuropa bliebe.

Hauptlast liegt beim Sekundärmarkt

Da Erstverkäufe (Galerien, Atelier) und nicht dokumentierbare Privatverkäufe von der Regelung ausgenommen sind, trägt der Sekundärmarkt die Hauptlast. Auktionshäuser verrechnen diese "Tantiemen" den Käufern. Nicht weil sie müssen, sondern um die Verkäufer zu schonen. Anders sieht das die Justiz in Frankreich, wie ein aktuelles Urteil belegt. Das dort bereits 1920 eingeführte "droit de suite" nimmt den Verkäufer in die Pflicht.

Darüber hatte sich Christie's etwa im Zuge der Yves-Saint-Laurent-und-Pierre-Bergé-Auktion 2009 (375 Mio. Euro) hinweggesetzt und die teils abzuführende Gebühr den Käufern angelastet. Das Syndicat National des antiquaires (SNA) und das Comité des galeries d'art klagten, da sich Christie's im Hinblick auf Einbringungen aus Frankreich damit einen Wettbewerbsvorteil verschaffte.

Die Causa endete im Einvernehmen mit dem Europäischen Gerichtshof vorerst mit dem Entscheid, dass die Gebühr vom Verkäufer oder Käufer eingehoben werden kann. Das Berufungsgericht in Versailles urteilte jetzt dagegen und verwies auf die ursprüngliche Gesetzgebung. Es seien die Verkäufer, die in der Regel von einer Wertsteigerung profitieren. Christie's kündigte einen neuerlichen Gang zum Obersten Gerichtshof an. (kron, 18.4.2017)