Die Maria-Tusch-Straße in der Seestadt Aspern ist ein Pilotprojekt im Einzelhandel, das auch außerhalb Wiens viel beobachtet wird.

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Marcus Wild will "den Pächtern ein Optimum bieten".

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SES-Chef Marcus Wild nahm 2015 die erste gemanagte Einkaufsstraße Österreichs in der Seestadt Aspern in Betrieb. Während dort die nächste Ausbaustufe läuft, zeigen sich weitere Städte an dem Modell interessiert.

STANDARD: Kommenden Herbst wird die erst gemanagte Einkaufsstraße Österreichs in der Seestadt Aspern zwei Jahre alt. Steht bei Ihnen noch das Lernen im Vordergrund, oder schon der Gewinn?

Wild: Es ist eine unglaublich innovative Sache. Also steht das Lernen im Vordergrund. Wir haben mit der Wien 3420 einen wunderbaren Partner, der vieles möglich macht. Natürlich soll am Ende des Tages bei unseren Projekten auch was rauskommen.

STANDARD: Etwas mehr als 6000 Menschen wohnen jetzt in der Seestadt. Aus Ihrer Sicht könnte die Weiterentwicklung wohl schneller gehen?

Wild: Wenn schon im Jahr 2025 die 20.000er-Grenze erreicht wird, wäre es sicher besser. Aber es läuft im Wesentlichen nach Plan. Wir sind zufrieden.

STANDARD: Viele Bewohner nicht so, die wünschen sich einen Diskonter.

Wild: Das ist in Ordnung. Der soll auch hinkommen.

STANDARD: Im Norden?

Wild: Er kommt. Das steht fest.

STANDARD: Welcher?

Wild: Das wäre kontraproduktiv, ihn vor Pachtvertragsabschluss zu nennen. Aber logischerweise müssen wir mit den internationalen Filialisten jene Reserven schaffen, damit wir Innovationen und kleineren Händlern helfen können, um in Summe durchzukommen.

STANDARD: Damit haben Sie das Konzept schon angesprochen: Nicht alle zahlen Marktmiete, sondern werden von anderen, etwa dem Spar-Markt, ihrer Konzernmutter, mitfinanziert ...

Wild: Generell hängt das weder mit dem Spar noch dem Bipa noch sonst wem zusammen. Manche Branchen haben eine längere Anlaufzeit, andere sind von der ersten Sekunde an vorn dabei. Ein Gastronom, der sehr viel investieren muss, kann nicht gleich voll durchstarten, sondern braucht ein bis zwei Jahre, bis alles voll anläuft, bis die Organisation passt und er sich einen Namen gemacht hat. Ein filialisierter Betrieb hat eine kürzere Anlaufzeit, da wird man die Staffelpacht, falls es eine solche überhaupt gibt, schneller ansetzen. Wir schauen, ob ein Pächter der richtige für den Standort ist, und wir fragen uns, wie wir dem ein Optimum bieten können. Es soll möglichst wenige Ausfälle geben. Wir sind uns aber bewusst, dass ein Vollausbau erst 2030 vorhanden sein wird, müssen also eine Zwischenstufe bilden. In Summe sind wir gut unterwegs. Das Modell ist einzigartig und genau das richtige. Und wir haben auch immer wieder Anfragen von anderen – gar nicht so kleinen – Städten, die ihre Einkaufsstraße auch gerne von uns managen lassen würden. Kürzlich haben wir da auch einen Vertrag mit einer Stadt abgeschlossen.

STANDARD: Mit welcher?

Wild: Jedenfalls einer österreichischen. Näheres darf ich nicht verraten, weil wir dort nicht so in den Vordergrund treten dürfen.

STANDARD: In der Seestadt läuft jetzt wohl schon die Mietersuche für den nächsten Abschnitt, das Seeparkquartier. Gibt's da schon Abschlüsse?

Wild: Fixiert ist noch nichts. Nur die grundsätzliche Ausrichtung, dass wir dort eine Verpachtung anstreben, die einiges über die Nahversorgung hinausgeht. Wir legten in der ersten Phase, der Maria-Tusch-Straße, den Fokus auf die unmittelbare Nahversorgung, also grundlegende Bedürfnisse. Im Seeparkquartier wollen wir ein bisschen variantenreichere Shops mit reinnehmen. Also Textil und Schuh oder auch Geschenkartikel. Wir haben noch nicht für jeden Shop den absoluten Wunschkandidaten, aber ich würde sagen: zu 90 Prozent.

STANDARD: In der Maria-Tusch-Straße gibt's aber beispielsweise auch einen Hundefrisör und einen Biokosmetikladen. Gehört das zur "unmittelbaren Nahversorgung"?

Wild: Nicht 100 Prozent der Verpachtungen sind über uns gelaufen. Wir haben manche Bereiche festgelegt, die außerhalb sind. Der Hundefrisör etwa kam nicht von uns.

STANDARD: Das Grundkonzept der Einkaufsstraße wird wohl beibehalten: Sie mieten die Flächen pauschal an und vermieten dann weiter an die Shopbetreiber?

Wild: Ja, anders lässt sich das nicht umsetzen. Wenn jedes Haus einen anderen Eigentümer hat, der den Pachtvertrag vergibt, macht das keinen Sinn. So eine Konkurrenzsituation wäre hier auch alles andere als optimal, weil dann nur fürs einzelne Haus optimiert wird, aber nicht fürs Ganze.

STANDARD: Wie man hört, soll sich mancher Bauträger ziemlich dagegen gesträubt haben, Teil der gemanagten Einkaufsstraße zu werden.

Wild: Es war natürlich ungewöhnlich. Aber in Summe muss jeder zufrieden sein. Der Bauträger bekommt die garantierte Pacht – und hat nie einen Ausfall. In gewisser Weise ist es eine Monopolisierung der Vergabe. Das ist auch wichtig, denn sonst hat man eine Lizitation nach unten, auch in der Qualität. Und außerdem gar nicht mehr das "Pulver", um etwa einem Gastronomen zwei Jahre Zeit zu geben. Natürlich kann's auch sein, dass ein neues Konzept einfach niemanden interessiert. Aber man muss es zulassen können. Ansonsten bin ich ein unglaublicher Verfechter des freien Marktes. Aber wenn man, so wie hier, eine Struktur aufbauen will, geht das nicht anders.

STANDARD: Verraten Sie konkrete Quadratmetermieten?

Wild: Da haben wir eine gewisse Vertraulichkeit vereinbart, weil wir eben einen Ausgleich zwischen den einzelnen Branchen machen. Das wäre nicht sinnvoll, die hier zu erwähnen. (Martin Putschögl, 15.4.2017)