Kicker des FC Sans Papiers haben viel mit Frauen zu tun: Klubobfrau ist die SPÖ-Gemeinderätin Angela Eberl, Trainerin Christina Bielowski und zu Ostern war Staatssekretärin Mina Duzdar Zuseherin.

Foto: SPÖ-Ibk / Patrick Außerdorfer

Innsbruck – Auf Tabellenplatz fünf der 2. Klasse Mitte, direkt zwischen der Telfer B-Mannschaft und der Spielgemeinschaft Silz/ Mötz, rangiert Tirols internationalstes Fußballteam. Wenn der FC Sans Papiers in der untersten Spielklasse aufläuft, stehen Kicker aus Gambia, Sierra Leone, Nigeria, Somalia, dem Iran, dem Irak und Afghanistan auf dem Feld. Sie sind allesamt Asylwerber. Doch während der 90 Minuten auf dem Platz sind sie Fußballer, die gegen den örtlichen Bäcker oder den Bauern aus dem Nachbardorf antreten.

Verteidiger Ruhullah Noori kam 2012 nach Österreich. Er hatte schon in seiner Heimatstadt Herat in Afghanistan Fußball gespielt: "Dort war ich Stürmer, heute bin ich Verteidiger." Der Sport war für den 27-Jährigen Vehikel zur Integration in Tirol.

"Nicht nur herumsitzen"

"Ich durfte nichts arbeiten, außer ein paar Stunden gemeinnützige Tätigkeit für die Gemeinde in Götzens, und wollte nicht den Rest der Zeit nur herumsitzen. Also habe ich zusammen mit ein paar anderen Asylwerbern begonnen, Fußball zu spielen." So lernte er nach und nach mehr Einheimische kennen.

Ungefähr zur selben Zeit gründeten sieben Asylwerber im nahen Innsbruck den Fußballverein FC Flüchtlingsheim. Doch sie stießen mit ihrem Engagement rasch an ihre Grenzen, als es darum ging, Grundlegendes wie etwa Ausrüstung oder einen Trainingsplatz zu organisieren. Da kam SPÖ-Gemeinderätin Angela Eberl ins Spiel: "Jemand hat den Jungs gesagt, sie sollen mich anrufen und um Hilfe bitten."

Öffentliche und private Hilfe

Seit Anfang 2013 ist Eberl nun nebenbei Obfrau eines Fußballvereins. Sie organisierte mithilfe der Stadt Innsbruck, des Landes Tirol und zahlreicher privater Unterstützer alles, was ein Fußballverein so zum Spielbetrieb braucht, Bälle und Dressen, beispielsweise. Und sie änderte den Teamnamen auf FC Sans Papiers, ein aus dem Französischen stammender Ausdruck für Migranten ohne Ausweispapiere.

Derart ausgerüstet keimte in der Mannschaft schnell der Wunsch, sich im regulären Ligabetrieb zu messen. Dazu war Überzeugungsarbeit gegenüber dem Tiroler Fußballverband (TFV) nötig. Denn eigentlich ist eine Nachwuchsmannschaft obligatorisch, um eine Lizenz zu erhalten. TFV-Präsident Sepp Geisler willigte dennoch ein und so spielt der FC Sans Papiers 2014 seine erste Saison in der 2. Klasse Mitte.

"Diese Struktur ist wichtig"

Neben Obfrau Eberl ist auch die sportliche Leitung im Verein mit der ehemaligen Profi- und Nationalteamspielerin Christina Bielowski fest in weiblicher Hand: "Wir trainieren dreimal die Woche. Diese Struktur ist sehr wichtig für unsere Leute."

Zum FC Sans Papiers gehören heute die Kampfmannschaft, ein Hobbyteam, das zur Ausbildung neuer Spieler dient, und seit kurzem auch eine Nachwuchsmannschaft. Neben dem sportlichen Aspekt sind Grundwerte wie Respekt oder das Verarbeiten der eigenen, meist traumatischen, Vergangenheit Teil des Trainings. "Wir machen hier viel mehr, als nur Fußball spielen", sagt Bielowski.

Aufstieg als Ziel

Im mittlerweile dritten Ligajahr zieht die sportliche Leiterin zufrieden Bilanz. Nach dem letzten und vorletzten Platz in den vergangenen Saisonen hält der FC Sans Papiers aktuell auf Platz fünf von 13 Teams. Noch sind zehn Spiele zu absolvieren. "Langfristig ist unser Ziel natürlich der Aufstieg", sagt sie. Wobei man mit erschwerten Rahmenbedingungen zu kämpfen hat.

Mangels Mannschaftsbus reist der FC Sans Papiers in der Regel per Öffis zu den Spielen. Eine besondere Belastung ist die permanente Unsicherheit, denn immer wieder werden Spieler abgeschoben. "Das ist sportlich wie menschlich eine sehr schwierige Situation für uns", erklärt Bielowski. Und schließlich kommen noch die rassistischen Anfeindungen am Platz dazu, die meist von den Zuschauern ausgehen.

Rassistischer Eklat

Im September 2015 kam es zum Eklat beim Spiel gegen Scharnitz. Zuschauer und Spieler der gegnerischen Mannschaft überboten sich in rassistischen Beschimpfungen. Trotz medialen Echos hatte der Vorfall keinerlei Nachspiel, wie Eberl frustriert erzählt: "Das ist enttäuschend. Man hat das Gefühl, wir dienen dem Verband als Feigenblatt – nach dem Motto 'Seht her, wir lassen sie eh mitspielen'.' Aber wirklich thematisiert würden Rassismus, Sexismus und Homophobie im Fußball nicht.

Zum Saisonfinale am 17. Juni muss der FC Sans Papiers wieder auswärts gegen Scharnitz antreten. "Mittlerweile sind wir Fünfter. Die Gegner müssen sich mit unserer Spielweise auseinandersetzen, nicht mit der Herkunft unserer Spieler", sagt Bielowski selbstbewusst. Sie trichtert ihren Männern ein, bei Beschimpfungen ruhig zu bleiben und es nicht persönlich zu nehmen. "Das ist nicht immer einfach", weiß Verteidiger Noori aus eigener Erfahrung, "doch wir müssen die Antwort darauf als Team auf dem Platz geben." (Steffen Arora, 18.4.2017)