Es ist ein kluger Schachzug von Theresa May, den Wahltermin in Großbritannien überraschend um drei Jahre vorzuziehen. Sie will sich damit ein starkes Mandat für die Verhandlungen mit der EU-Kommission und den übrigen 27 Mitgliedsstaaten über den Brexit sichern – direkt vom Volk. Der Zeitpunkt ist für May günstig, denn die Opposition hat es geschafft, sich trotz der großen Unsicherheit der Regierung in der Zeit nach dem Brexit-Votum selbst zu schwächen. Labour-Chef Jeremy Corbyn hat just an diesem Morgen in einem Interview eingestanden, dass zu viele Fehler unter seiner Führung gemacht worden seien. Es kann derzeit nicht einmal als gesichert gelten, dass die größte Oppositionspartei mit ihm als Spitzenkandidat in den Wahlkampf zieht.

Oppositionsforderung erfüllt

Corbyn blieb in einer ersten Reaktion gar nichts anderes übrig, als den Neuwahlvorstoß zu begrüßen. Denn Labour und die Liberalen hatten der seit Juli 2016 als Nachfolgerin von David Cameron regierenden Tory-Politikerin vorgeworfen, sie regiere und exekutiere den EU-Austritt ohne Mandat des Volkes. Jetzt macht sie das, was die Opposition von ihr fordert.

Der Zeitpunkt ist aus Mays Perspektive auch deshalb günstig, weil sie über vergleichsweise hohe Popularitätswerte verfügt. In Umfragen bescheinigen May mehr als 50 Prozent eine gute Arbeit, Corbyn dagegen nur 14 Prozent. Es ist aus Mays Sicht auch richtig, den Wahltermin möglichst an den Beginn des auf zwei Jahre angesetzten Verhandlungsprozesses zu legen und den Wahlkampf durch die Entscheidung für den 8. Juni möglichst kurz zu halten. Innenpolitisch sorgt das angekündigte Unabhängigkeitsreferendum in Schottland ohnehin für Diskussionen und ein dauerndes Störfeuer während der Brexit-Verhandlungen.

Stärke im Kampf gegen Europa

May erhofft sich mit dem Wählervotum im Rücken eine Stärkung ihres Auftretens "in Europa". Die EU-Kommission hat nach dem Eintrudeln des Brexit-Briefs vor zwei Wochen einen harten Kurs angekündigt, und auch die anderen Mitgliedsländer sind willens, ein Exempel der Abschreckung zu statuieren. Wie viel Großbritannien noch zahlen müssen wird, das ist die große Streitfrage.

Gleichzeitig muss die britische Premierministerin ihr Land aus dem EU-Binnenmarkt herausführen und den wirtschaftlichen Schaden möglichst gering halten. Zum Erstaunen selbst von Experten hat sich der ökonomische Schaden bisher in weitaus geringeren Grenzen gehalten als prognostiziert.

Das aber dürfte trügerisch sein, denn das Land ist vorerst weiterhin Mitglied der EU und genießt alle Vorteile des Binnenmarktes. Die Abwertung des Pfunds nach dem Brexit-Votum hat sogar die Exporte in die EU beflügelt. Viele Unternehmen warten mit ihren Standortentscheidungen noch ab, bis die genauen Bedingungen für den Ausstieg der Briten aus der EU feststehen. Ein früher Wahltermin wird auch Klärung darüber bringen, wie sehr die Briten Mays harten Brexit-Kurs unterstützen. (Alexandra Föderl-Schmid, 18.4.2017)