Das Konzept Sedric ist so etwas wie ein autonom fahrendes Taxi...

Foto: Volkswagen

... innen geräumig, ...

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... von außen knuffig.

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Entstanden ist es im Future Center in Potsdam, einer Art Konzern-Kreativtempel für die Mobilität von morgen und übermorgen.

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Dazu werkt man zum Beispiel in der "Sitzkiste", ...

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... und macht man sich Gedanken über Bediensystem-Optimierung.

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"Meine Herren, verneigen Sie sich. Hätte der noch gelebt, wäre ich nicht hier." Zehn Tage nach der Niederlage der Preußen bei Jena und Auerstedt 1806 stand Napoleon mit seinen Generälen vor der Gruft Friedrichs des Großen in der Potsdamer Garnisonskirche und zog den Dreizack vor dem Genie des Alten Fritzen. Dessen Schloss Ohnesorg (Sanssouci) prägt heute noch die Stadt vor den Toren Berlins, die sich um die Eckpfeiler Tourismus, Kultur und Wissenschaft zur Boomstadt mausert. Unlängst erst eröffnete das unter Friedrich errichtete, nun wiederaufgebaute Palais Barberini seine Pforten, ein Hochkaräter von Museum.

VW Future Center

Man sieht schon, da tut sich was am zu neuem Glanz erwachten Ort, und so ist man nicht groß überrascht, wenn sich dann auch so was findet: VW Future Center. Mit Blick auf den Tiefen See und Babelsberg wird dort für den Konzern die Mobilität der Zukunft ersonnen und auch ihre Gestaltung, ihr äußeres und inneres Erscheinungsbild.

Nun ist die Zukunft zwar nach Shakespeare das unbekannte Land, das wussten auch Captain James T. Kirk und die Klingonen. Aber dächte man die derzeitige Entwicklung der Mobilität und das Voranschreiten der Digitalisierung linear fort – und schriebe ins Lastenheft noch die Anforderung, wie es aussehen könnte, wenn man statt Autos Mobilität verkauft, käme so etwas raus wie ein fahrerloses Taxi.

Studie Sedric

Genau das haben die Potsdamer Kreativköpfe ersonnen – nämlich die Studie Sedric. Im Umfeld des Genfer Salons präsentiert, zeigt es, "wie ein neues integriertes Gesamtsystem Mobilität in der Zukunft funktionieren kann". Gut, das Ding sieht ein bisserl aus wie ein Zug-Abteil, auch das Wort "Doppelmayr-Kabine" fiel schon mal, aber es vermittelt recht anschaulich, was bei VW derzeit alles angedacht wird.

Potsdam also. Erst im Februar 2016 wurde der Wechsel vom Design- zum Future-Center vollzogen, seither denkt man hier über neuartige Fahrzeugkonzepte nach – immer unter der Grundannahme autonomes Fahren und Digitalisierung, wie etwa Ulrike Müller, im Hause Leiterin "Digitales Kundenerlebnis", erläuterte.

Future-Labs

Designer und Digitalisierungsexperten sind gefragt, das Denken, Forschen, Entwickeln, Gestalten ist bewusst horizontüberschreitend, interdisziplinär angelegt, die Arbeitsstellen wirken wie Hightech-Bastelstuben in Silicon Valley, das soll die Kreativität fördern, tut es wohl auch. Rund 25 Mitarbeiter werken derzeit hier, bald sollen es 60 sein. Außerdem wurden noch zwei weitere Future-Labs gegründet, eins in San Francisco, eins in Schanghai.

Ebenfalls neu ist der Zugang, den Kunden als Mensch von Anfang an in den Entwicklungsprozess zu integrieren. Der Oberbegriff lautet "Digital UX Design", UX steht für "User Experience", in der Muttersprache von Volkswagen könnte man schlicht Nutzererfahrung sagen. Hoppla, geht ja!

Diese Einbeziehung kann so aussehen, dass man sich Kinder aus Kindergärten holt, "da erfährt man, wie die ticken". Auch Leute von der Straße werden angesprochen. Oder man lädt blinde Menschen ins Zukunftszentrum und ergründet deren Bedürfnisse – allein die Perspektive, autonomes Fahren eröffnete diesen Menschen Automobilität, fasziniert.

Schlau vereinfachen

In der oberen Etage wurde eine "Sitzkiste" installiert. Dort entwickelt man quasi direkt "im Auto", mit Bildschirmen und Sensoren. Beim Rundgang vorgeführt wurden Überlegungen, Gestensteuerung erheblich zu verbessern – jeder weiß, der derzeitige Stand der Technik lässt noch viele Wünsche offen. Verbessern, vereinfachen: Intelligente Simplizität lautet die Zielsetzung, immer komplexere Technik soll dennoch möglichst wenig beim Fahren ablenken, sofern man selbst noch fährt. Auch mit Luftanströmung aus kleinen Düsen könnte man zu intuitiver Bedienung gelangen. Oder via Befehlseingabe über Augenbewegung.

Zum Arbeitswerkzeug zählen natürlich auch Datenbrillen und 3D-Drucker. Und wenn es um das unterschiedliche Erscheinungsbild der Fahrzeuge der einzelnen Konzernmarken geht: auch das wird hier definiert. Im Parterre findet sich dann noch ein riesiger Präsentationssaal, wo sich die Konzernstrategen Ideen und Ergebnisse ihrer Denkfabrik vorführen lassen können.

Neue Mobilität

Und wozu das Ganze? "Autos können wir schon." Jetzt geht es um das Gestalten der Plattform für die neue Mobilität. Wer nicht dabei ist bei diesem gigantischen Transformationsprozess, ist rasch weg vom Fenster. Wer indes die Hausaufgaben macht, auf den wartet womöglich Ohnesorg. Sanssouci. Wir haben jedenfalls gestaunt in Potsdam. Aber das würde der Alte Fritz auch. (Andreas Stockinger, 20.4.2017)