Alte Gemäuer, anmutig in die neue Zeit geholt und mehr als anständig bekocht: das Gut Wildshut nördlich von Salzburg.

Foto: Majken Corti

Innviertler Brotsuppe, ein von Kraft und zartem Kräuterduft bestimmter Zaubertrank.

Foto: Majken Corti

Nördlich von Salzburg, wo Bayern, Oberösterreich und Salzburg ein kleines Dreiländereck bilden, liegt eine der bestgepolsterten Regionen des Landes. Man sollte meinen, dass es in einer so gut im Speck stehenden Gegend jede Menge brauchbarer Wirtshäuser gäbe – ist aber bis auf wenige Ausnahmen (wie den famosen Gössnitzer im nahen Eggelsberg) Fehlanzeige. Das scheint auch der Salzburger Brauereifamilie Kiener aufgefallen zu sein, nachdem sie dort vor Jahren Gut Wildshut wiederbelebt hatten, einen prächtigen, lange recht zerlepperten Gutshof, der knapp im Oberösterreichischen liegt.

In den vergangenen Jahren haben die Stiegl-Brauer hier ein Modellprojekt aufgezogen, mit großräumiger Biolandwirtschaft und dem Anbau alter, fast vergessener Getreidesorten, die vor Ort vermälzt und zu allerhand außergewöhnlichem Bier gebraut werden. Das gab es schon bisher vor Ort zu verkosten, dazu wurde selbst gebackenes Brot belegt und der eine oder andere Speckteller mit Produkten vom eigenen Hof gereicht. Seit Anfang März wird der prächtige Gastraum mit alten Granitsäulen, neuen Möbeln aus altem Holz und einem massiv gemauerten Brotofen nun als echtes Wirtshaus bekocht – der Biergarten unter alten Bäumen harrte zuletzt noch auf entsprechendes Wetter.

Zaubertrank im Topf

Ein Braugasthof mit ehrlicher, warmer Küche allein wäre schon gut gewesen. An einem Ort wie diesem aber, wo auch punkto Wirtschaftlichkeit eigene Maßstäbe gelten, war das zu wenig. Im Internetauftritt ist nicht zufällig von einem "Biergarten Eden" die Rede, der in Wildshut im Entstehen ist. Man will sich gar nicht ausmalen, wie kapital so ein Anspruch auch hätte danebengehen können. Umso wohltuender wirken die Selbstverständlichkeit und das Understatement, mit denen nun außergewöhnliches Essen serviert wird. Was auf die Teller kommt, stammt zum allergrößten Teil aus der eigenen Landwirtschaft oder wird in der unmittelbaren Umgebung bei anderen Bioproduzenten zugekauft.

Innviertler Brotsuppe zum Beispiel, ein von Kraft und zartem Kräuterduft bestimmter Zaubertrank (siehe Bild, Anm.), wird aus dem Fleisch hofeigener Bio-Rinder gezogen, die Einlage aus hauchdünn geschnittenem, am Gut gebackenem Roggenbrot ist vergleichsweise derb. Und in der Kombination verdammt gut: Wie die Säure der Krume langsam in die Suppe zieht, wie sich auch der Kümmel die Suppe mit jedem Löffel mehr zu eigen macht, wie Brot und Bouillon ein faszinierend cremiges Neues werden – das ist Bauernküche als hohe Kunst.

Blut monumental

Blunze vom Fleischer aus dem Nachbarort ist ein würziges Monument voll überraschender Zwischentöne. Sie wird knusprig gebraten und auf ein süßsaures Gröstl aus Äpfeln und Zwiebeln gebettet, einfach, herrlich. Nicht alles gelingt einstweilen gleich gut: Kaspressknödel (natürlich mit Käse aus der hofeigenen Milch) auf grünem Salat sind zwar idealtypisch knusprig und flaumig, aber nicht halb so käsestinkert, wie man sie sich wünschen würde. Das Sauerkraut zu den herausragend deftigen, blitzsauberen Schweinsbratwürsteln (ebenso von der Biometzgerei Heinz in Bürmoos) ist zwar fein gewürzt, aber eine Idee zerkocht.

Dafür gerät die rosa gebratene Kalbsschulter zu saftstrotzender Finesse, hart an der Perfektion und mit Rahmkohlrabi und angebratenen Wurzelgemüsen stimmig, unaufgeregt, wohlig kombiniert. Die gebratenen Briocheknödel dazu sind schließlich perfekt – knusprig, flaumig, zart und doch entschlossen gewürzt schmecken sie massiv besser, als man sich das bisher vorzustellen vermochte. Die Getränkekarte verspricht ein paar klug ausgewählte Bio-Weine, aber eigentlich will man hier nur Bier trinken. (Severin Corti, RONDO, 21.4.2017)