Mit Bart und schwindendem Haar im "Mundl"-Look: Ewan McGregor ist der Star von "Fargo", Staffel 3.

Foto: FX Networks
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Wien – Egal, in welchem Jahr eine neue Staffel von Fargo ankommt, die zentrale Frage bleibt immer gleich: Warum um Himmels willen gelangt das Verbrechen an einen auf den ersten Blick so wohlanständigen Ort in Minnesota und dessen nähere Umgebung? Schon das Original der Brüder Joel und Ethan Coen aus dem Jahr 1996 bezog seinen Reiz aus solch unvereinbaren Gegensätzen.

Wir erinnern uns: Eine hochschwangere Polizistin trat dem Bösen tapfer in einer blütenweißen Winterlandschaft entgegen, in der jeder Blutstropfen besonders grell in die Augen stach. Je schneller sich dann die Gewaltspirale verselbstständigte, umso drastischer die Effekte, umso ungläubiger man selbst.

An dieser Maxime wird sich wohl auch in der dritten Staffel der von Noah Hawley erfundenen TV-Serie, die ab heute, Mittwoch, in den USA, ab 21. April auch in Österreich auf Netflix zu sehen sein wird, nichts ändern. Mit den Details über das zu erwartende Setting ging man von Produktionsseite zurückhaltend um. Ein Grund dafür ist, dass sich Fargo von einer Staffel zur nächsten jedes Mal komplett neu aufstellt.

War die erste 20 Jahre nach dem Film (im Jahr 1987) angesiedelt und bot neue Figuren und Konflikte auf, so überraschte Hawley in der zweiten durch einen Sprung ans Ende der 1970er-Jahre. Mit größter Sorgfalt gegenüber stilistischen und historischen Eigenheiten der Ära – für einen Wahlkampftermin verschlug es sogar Ronald Reagan in die Einöde – verquickte er ein Mafiadrama mit den kleinen oder mittelgroßen Träumen sogenannter gewöhnlicher Leute.

Doppelter Schotte

Was also gilt für Season 3 als gesichert? Fargo spielt im Jahr 2010 und gelangt damit so nah an die Gegenwart heran wie noch nie. Hauptschauplatz soll Eden Valley, natürlich Minnesota, sein. Zentrale Rollen verkörpert niemand Geringerer als Ewan McGregor – Plural deshalb, da der Schotte mit einem Paukenschlag gleich Zwillingsbrüder mimt. Es hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass die Serie für ungewöhnliche schauspielerische Manöver Raum bietet. Man denke nur an Kirsten Dunsts Part als äußerlich biedere, innerlich herrlich verschlagene Hausfrau in Staffel zwei.

McGregor spielt nun einerseits Emmit Stussy, erkennbar an einer Schneckerlfrisur, der es als "Parkplatzkönig von Minnesota" zu einer herzeigbaren Lokalgröße gebracht hat und dies auch zu verteidigen weiß. Dem anderen, Ray, optisch an einen berühmten "echten Wiener" erinnernd, fehlt das Glück (oder ist es Geschick?) seines Bruders: Nicht nur die alte Corvette des Bewährungshelfers macht nicht ganz so viel Eindruck, wie er es sich erhofft. Immerhin hat er Mary Elizabeth Winstead als Exdelinquente auf seiner Guthabenseite, ihr einprägsamer Name: Nikki Swango.

Die erzählerische Perspektive, die den typisch sardonischen Tonfall von Fargo bestimmt, mag schon in dieser Doppelrolle angelegt sein: Größere Haie und kleine Fische bevölkern in dem von Kriminalität durchwucherten Mittleren Westen denselben Teich. Ambitionen erweisen sich hier schnell als erster Schritt ins Verderben. Jede Fargo-Staffel benötigt deshalb ein moralisch unfehlbares Zentrum in Person eines vorbildlichen Polizisten. Um dessen Alltag um das entscheidende Maß realistischer zu gestalten, ist dieser stets von einer ganzen Riege unbedarfter Kollegen umgeben.

Große Fußstapfen

Staffel eins und zwei boten ein familiäres Band an. Woher Polizistin Molly Solverson (Allison Tolman) ihre Unbeirrbarkeit nahm, sich nur mit der Wahrheit zufriedenzugeben, wusste man spätestens nach der zweiten Staffel, in der ihr Vater Lou (Patrick Wilson) selbst gegen städtische Vertreter seines Fachs die bessere Figur abgab. Carrie Coon ist die Kleinstadtpolizistin, die als Gloria Burgle nun beherzt in diese großen Fußstapfen tritt – und weil der Brite David Thewlis einen der Gangster spielt, wird sie es nicht leicht haben, das steht fest.

Offen muss vorerst bleiben, ob sich diese Elemente – wie schon bei den beiden Vorläufern – zu einer Fortsetzung bündeln, die auch durch inszenatorische Pointiertheit zu begeistern vermag. Obwohl Noah Fawley gegenüber anderen Serienmachern den leichten Vorteil hat, nicht auf allzu große Wiedererkennbarkeit setzen zu müssen, hat er sich selbst eine steile Vorlage gelegt. Er darf den Zuschauer nicht zu sehr von vertrauten Gefühlen trennen und muss zugleich danach streben, Erwartungen zu übertreffen. Welche? Natürlich jene bezüglich des Bösen im so täuschend friedvollen Mittleren Westen. (Dominik Kamalzadeh, 19.4.2017)

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