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Wien – Bis zu einer neuen Struktur in der medizinischen Versorgung außerhalb der Spitäler ist es noch ein weiter Weg. Zwar dürfte ein Gesetzesentwurf für Primary Health Care (PHC), also der ärztlichen Primärversorgung, bald in Begutachtung gehen – doch große Umstellungen muss es bei Strukturen, Organisation und Honorargestaltung erst geben, hieß es am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Wien.

Ein Beispiel für Reformbedarf in der Kassenmedizin stellte der Wiener Gruppenpraxis-Chirurg Friedrich Weiser dar, dessen Ordination mit einem Partner auf Endoskopien (Magen, Darm) an jedem Tag der Woche geöffnet hat. "Samstag ab Mittag zahle ich für meine Mitarbeiter 50 Prozent dazu, am Sonntag sind hundert Prozent Zuschlag zu zahlen", sagte er. Die Krankenkassentarife nähmen aber darauf keine Rücksicht.

Nicht kostendeckend

Dabei sei das Kassenhonorar für eine Darmspiegelung an sich nicht kostendeckend. Aus unabhängigen Untersuchungen gingen Kosten von rund 350 Euro pro Patient hervor. "Wir bekommen aber rund 200 Euro", sagte Weiser. Im Endeffekt komme man nur über "Massenabfertigung" und der Bezahlung der Kurzsedierung während der Untersuchung durch die Kassenpatienten über die Runden.

Seit Jahren wird mittlerweile über die Gewährleistung von Primary Health Care via Gruppenpraxen, eigene Zentren oder Ärztenetzwerke gesundheitspolitisch gestritten. Ein eigenes PHC-Gesetz soll die Rahmenbedingungen schaffen. "Die Ärztekammer wehrt sich dagegen, dass Kapitalgesellschaften der Zugang zur Medizin eröffnet werden sollte. Da würden die Kosten explodieren. Wir wollen auch nicht, dass eine benachbarte Ordination für die gleiche Leistung ein anderes Honorar bekommt, wenn der Gesamtvertrag kippt", sagte Wiens Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres, der sich auf die Frage, ob er nach der Kammerwahl schon eine genügend große Koalition unter den Ärztefraktionen gebildet hätte, um oberster Wiener Standesvertreter zu bleiben, bedeckt hielt. Es gebe nunmehr einen PHC-Gesetzesentwurf, der wahrscheinlich in absehbarer Zukunft in die Begutachtung gehe. Seines Wissens nach, hätte man die Bestimmungen zu den größten Kritikpunkte für den Entwurf abgeändert.

Szekeres sprach sich für eine breite Vielfalt von Möglichkeiten für die medizinische Versorgung der Versicherten außerhalb der Spitäler aus: So sollte es Gruppenpraxen genauso geben wie den Hausarzt, der noch immer der "beliebteste" Arzt für die Bevölkerung sei. Auch Ärzte-Netzwerke müssten möglich sein, wie das auch im Gesetzesentwurf vorgesehen ist.

Längere Öffnungszeiten gefordert

NÖ-Patientenanwalt Gerald Bachinger betonte den Reformbedarf im System: "Die traditionelle Kassenordination ist bei einer neuen Ärztegeneration nicht mehr ausreichend." "One-Stop"-Primary Health Care, längere Öffnungszeiten und eine "proaktive" Versorgung vor allem chronisch Kranker müssten das Ziel sein. "Das PHC-Gesetz ist notwendig, weil wir bisher nur einige Best Practice-Modelle haben, die sehr viel Unterstützung bekommen haben." Schließlich sollte das System der Honorierung von Kassenleistungen mehr auf ein Pauschalsystem als auf Einzelleistungen ausgerichtet werden.

"Der Hausarzt ist kein Selbstzweck. Die Primärversorgung ist kein 'Artenschutzprogramm' für Hausärzte", sagte Bachinger. In der Primärversorgung müssten die Aufgaben auch verbindlich festgelegt werden. Billiger werde es zunächst nicht werden. "Kurz- und mittelfristig wird man mehr investieren müssen." Volkswirtschaftliche Einsparungen würden sich erst auf längere Sicht ergeben. Laut den ersten Erfahrungen in Niederösterreich dürfte die als Pilotversuch vor kurzem gestartete Telefon-Gesundheitsberatung zeigen, dass man sich wohl ein Drittel der bisherigen Rettungstransporte ersparen könne. (APA, 19.4.2017)