Der scheidende Landeshauptmann Erwin Pröll und seine Nachfolgerin Johanna Mikl-Leitner bei der Sitzung des niederösterreichischen Landtags mit der Wahl Mikl-Leitners zur Landeshauptfrau in St. Pölten.

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St. Pölten – Masterplan für die Digitalisierung, Beschleunigung der Breitbandoffensive, Bundesämter in die Bundesländer: Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sparte in ihrer ersten Rede nach ihrer Wahl zur Landeshauptfrau Niederösterreichs nicht mit Ankündigungen. 52 der 56 Abgeordneten des Landtags hatten die bisherige Landesrätin und frühere Innenministerin zuvor zur Nachfolgerin des langjährigen Landeshauptmanns Erwin Pröll gewählt. Nur die vier Mandatare der FPÖ stimmten nicht für Mikl-Leitner.

Diese hat nun nach eigener Einschätzung "den schönsten Job Österreichs vor mir". Niederösterreich solle "nicht nur das größte Bundesland sein, sondern auch das schnellste Bundesland", wenn es um die Wirtschaft geht. Mikl-Leitner will die Digitalisierung als Chance nutzen und kündigt einen "Masterplan für die Digitalisierung in Niederösterreich an", der alle Bereiche der Landespolitik darauf vorbereiten soll.

Die Evaluierung der Breitbandoffensive will die neue Landeshauptfrau auf den Sommer 2017 vorziehen, um das Land "so bald wie möglich vernetzen" zu können: "Wir werden Niederösterreich als innovatives Hightech-Land ausbauen und etablieren."

Prominenter Zaungast

Wie schon im STANDARD-Interview plädierte Mikl-Leitner auch für die Verlegung von Ämtern des Bundes von Wien in die Bundesländer – das sei auch "eine Chance für Wien", erklärte die Landeshauptfrau ihrem – sichtlich amüsierten – Wiener Kollegen Michael Häupl (SPÖ) auf der Zuschauergalerie. Schließlich bekäme nicht nur Niederösterreich neue Arbeitsplätze durch die Verlegung, sondern auch Wien mehr Platz. Man gehe jedenfalls in Niederösterreich "mit gutem Beispiel voran" und will Einrichtungen des Landes von St. Pölten in die Regionen verlegen.

Das Thema Mobilität sei in einem Flächenbundesland der Schlüssel zu Wachstum und Lebensqualität, argumentierte Mikl-Leitner ihre nächste Ankündigung. Ein Mobilitätskonzept soll dafür sorgen, dass die Verkehrspolitik "den vielfältigen Interessen der Menschen in Niederösterreich gerecht wird". Die geplanten Maßnahmen reichen von Taktverdichtungen bei öffentlichen Verkehrsmitteln über den Ausbau von Park-and-ride-Anlagen und Bahnhöfen bis zu Investitionen ins Straßennetz.

Niederösterreich heute: Portrait Johanna Mikl-Leitner
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Ruf nach "neuer Gerechtigkeit"

Wie schon in ihrer Rede beim Parteitag der ÖVP Niederösterreich forderte Mikl-Leitner eine "neue Gerechtigkeit – vor allem für diejenigen, die unser Land und unsere Gesellschaft tragen", während jene sanktioniert werden sollten, die das Sozialsystem ausnutzten.

Helga Krismer, Fraktionschefin der Grünen, erklärte die Stimmen der vier grünen Abgeordneten für die neue Landeshauptfrau mit dem Respekt vor Verfassung, Regierung und Wählern. Gleichzeitig mahnte sie die Modernisierung der niederösterreichischen Demokratie ein, vorrangig das Recht für die kleinen Oppositionsparteien FPÖ und Grüne, Anträge einzubringen – ein Wunsch, dem ÖVP-Klubchef Klaus Schneeberger sogleich eine Absage erteilte. "Die Erwartungen von uns an die neue Regierungsmann- und -frauenschaft ist eine sehr große", sagte Krismer. "Wir hoffen auf eine neue Kultur des Miteinanders."

FPÖ stimmte gegen Mikl-Leitner

FPÖ-Klubobmann Gottfried Waldhäusl rechtfertigte die Gegenstimmen der Freiheitlichen wortreich und aufgeregt. Ein junger Erwin Pröll würde heute noch viel notwendige Arbeit in Niederösterreich sehen, wo Bandenkriege und Vergewaltigungen die Bevölkerung gefährdeten. Nicht zuletzt Mikl-Leitners Rolle als Innenministerin während der Flüchtlingskrise 2015 sorge dafür, dass die FPÖ ihr kein Vertrauen schenken könne.

Reichlich Lob gab es vor allem für Erwin Pröll von den Klubchefs der Liste Frank, der SPÖ und der ÖVP. Deren Fraktionschef Schneeberger sah "ein neues Landesbewusstsein", eine "aktive Landesaußenpolitik" und "eine Kulturpolitik, um die uns viele beneiden", als Verdienste des nunmehrigen Landeshauptmanns außer Dienst. "Du hast das hervorragend gemacht." Mikl-Leitner sei "eine Landeshauptfrau, die nicht wegen irgendeiner Quote ab nun die Geschicke Niederösterreichs lenken wird, sondern weil sie schlichtweg die besten Voraussetzungen für dieses Land mitbringt". Zuvor gab Pröll einen Reisebericht. Für ihn endete am Mittwoch "eine lange Reise im Dienste meines Heimatlandes Niederösterreich", bei der er vor fast 25 Jahren "in das Führungsabteil umsteigen durfte". Dieses verlasse er "nicht in Wehmut und auch nicht mit Abschiedsschmerz", sondern mit Dankbarkeit, Freude und Demut.

Pröll wettert gegen "Zentralisten"

In seiner letzten Rede als Landeshauptmann ließ sich Pröll auch wiederholte Kritik am Gerichtsurteil gegen den Ausbau des Flughafens Wien-Schwechat nicht nehmen: "Ich habe großes Verständnis, dass die Umwelt und die Anrainer bei all diesen Projekten zu ihren Rechten kommen." Aber diese Rechte dürften nicht dazu führen, dass die Zukunftsentwicklung des Landes verhindert wird. "Die Politik muss sich entscheiden trauen. Die Politik muss das Gesetz des Handelns haben. Und die Politik muss dieses Handeln zum Gesetz machen", sagte Pröll. Gemeinsam mit den acht anderen Landeshauptleuten stellte er am Mittwoch in einem Brief an die Bundesregierung die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz infrage.

Wie schon zuvor wetterte Pröll auch gegen "die Zentralisten". Gehe es nach denen, sollte die Bevölkerung stets in die Zentren pilgern – "das ist aber ungerecht gegenüber der Bevölkerung in den ländlichen Regionen, das ist auch volkswirtschaftlich katastrophal".

Er selbst sei "Nutznießer dieser Errungenschaft", betonte Pröll die Bedeutung der Europäischen Union als Friedensprojekt, "denn es ist mir gegönnt, sieben Jahrzehnte lang ohne Krieg in diesem Europa leben zu dürfen". Was man heute in Europa habe, "das verdanken wir einer großen politischen Idee von seinerzeit". Nur ein gemeinsames Europa könne eine friedliche Zukunft sichern. (Sebastian Fellner aus St. Pölten, 19.4.2017)