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Kamen nicht zum Schuss: Lionel Messi und Luis Suarez.

Foto: Reuters/Perez

Barcelona – Luis Enrique wollte sich nach seinem letzten Champions-League-Auftritt als Trainer des FC Barcelona nicht mit (Selbst-)Kritik aufhalten. Trotz und Pathos – das gefiel ihm nach dem enttäuschenden 0:0 im Rückspiel gegen Juventus Turin besser. "Wir hätten heute den Sieg verdient, haben bis zum letzten Moment gekämpft. Es ist ein Abend, um sich als Barca-Fan sehr stolz zu fühlen", sagte Enrique.

Was der 46-Jährige nur am Rande erwähnte: Barca ist zum zweiten Mal in Folge im Viertelfinale gescheitert, vor allem weil der offensive Superstarblock mit Lionel Messi, Neymar und Luis Suárez aus dem Spiel genommen war. In 52 Saisonspielen hat das Trio 82 Treffer erzielt – ein kompromisslos verteidigendes Juventus erlaubte in 180 Minuten keinen einzigen.

"Wir haben alle Räume zugemacht"

"Wir haben alle Räume zugemacht. Drei Tore im ersten Spiel zu machen, im Camp Nou keines zu kassieren ist der Beweis dafür, dass wir ein großes Team sind", sagte Juve-Abwehrrecke Leonardo Bonucci. Im Verbund mit Giorgio Chiellini hatte er wie im Hinspiel (3:0) hinten abgedichtet, davor agierte Sami Khedira als Staubsauger – der Weltmeister ist allerdings im Halbfinal-Hinspiel gelbgesperrt.

"Ein Barca ohne Magie" ("El Mundo Deportivo") "zerschellte an der Mauer von Juventus" ("Sport") – die Sportpresse ging wenig zimperlich mit Barcelona um, dem am Sonntag (20.45 Uhr) im Clasíco bei Real Madrid auch der K. o. in der Meisterschaft droht: Bei einer Niederlage beträgt der Rückstand auf die Königlichen sechs Punkte und könnte bei Reals Nachholspiel in Vigo sogar auf neun anwachsen.

Für den zum Saisonende scheidenden Enrique liegen dennoch alle Hoffnungen auf der Liga. "Wir können am Sonntag beim direkten Konkurrenten Platz eins holen, das ist eine Riesenchance." Nach den Vorstellungen gegen Juventus sind an der Machbarkeit allerdings Zweifel erlaubt. Das Barca-Problem könnte sogar mehr grundsätzlich als eine Momentaufnahme sein.

Kataloniens Presse kritisiert Schiedsrichter

Gegen Juventus reichte Barcelonas punktuelle individuelle Extraklasse wie schon im Vorjahr gegen Atlético Madrid (2:1, 0:2) nicht, um sich gegen ein bestens eingestelltes Kollektiv durchzusetzen. "Barcelona hat eine superbe Offensive, aber nichts anderes", sagte Turins Trainerikone Marcello Lippi in "El País" und sprach vom "freien Fall".

Fakt ist zumindest: In Messis vermeintlich sechs besten Karrierejahren im Alter von 24 bis 29 hat Barcelona nur einmal die Champions League gewonnen. 2014/15, in Enriques erstem Trainerjahr, mit 3:1 gegen Juve. Damals machte das Sturmtrio noch den Unterschied, diesmal war auf Hin- und Rückspiel gesehen Juventus' Argentinier Paolo Dybala der bessere Messi.

Kataloniens Presse machte derweil Schiedsrichter Björn Kuipers für das Scheitern mitverantwortlich. Nach dem desaströsen Auftritt des Ungarn Viktor Kassai bei Real gegen Bayern, so mutmaßte "El Mundo Deportivo", habe der Niederländer aus Angst vor Fehlern nahezu keine Defensivaktion von Juventus unterbunden, die harte Gangart der Italiener, die Barca den Zahn zog, erst möglich gemacht.

Überholte Barcelona-Taktik

Das lässt zweierlei außer Acht. Im Viertelfinale gegen Paris St. Germain gelang einerseits beim 6:1-Rückspielsieg nach 0:4 im Hinspiel das Wunder nur, weil Schiedsrichter Deniz Aytekin kräftig mithalf und zudem PSG blindlings in den Untergang stürmte. Andererseits zeigten die Juventus-Spiele, dass die Barcelona-Taktik der vergangenen Dekade, nur auf "messianische" Geistesblitze zu vertrauen, überholt sein dürfte.

Pressestimmen:

Gazzetta dello Sport: "Juventus, eine Alte Dame aus Stahl, versenkt Barcelona. Barca prallt gegen eine Mauer. Juve rächt sich für das Finale in Berlin vor zwei Jahren. Die Turiner sind nicht PSG, sondern eine Mannschaft, die alle Bedingungen für den Champions League-Sieg vorweist und keinesfalls jetzt bremsen will. Eine Mannschaft, die nicht schwächer als Real Madrid oder Atletico ist. Jetzt flößen die Bianconeri in Europa Furcht ein".

Corriere dello Sport: "Die Nacht einer Alten Dame: Mit Kopf und Herz versenkt Allegris Truppe Super-Barca. Für Barcelona ist dies das Ende einer Ära. In Turin hatte Juve ein außerordentliches Match gewonnen, gestern hat die Mannschaft im Camp Nou noch mehr geleistet und den Gegnern eine Lehre in puncto Taktik, Charakter und Organisation erteilt."

Tuttosport: "Niemand wie Juventus. Bonucci und Chiellini versenken Suarez. Eine königliche Mannschaft vernichtet Barcelona mit der besten Abwehr Europas, die jeden Sturm einfriert. Allegri hat die Abwehr in jedem Detail geplant. Juve spielt mit der Ausgewogenheit einer bestens organisierten Mannschaft, die den Angreifern Widerstand leistet. Das Barcelona des Tiki-Taka schafft gegen Juve kein einziges Tor."

La Repubblica: "Ein italienischer Klub gelangt ins Halbfinale, indem er auf italienische Weise spielt. Das Ergebnis könnte nicht besser sein. Juventus hat einen weiteren Schritt in Richtung Champions League mit einem 0:0 geschafft, für das man sich nicht schämen muss. Allegri hat seine Mannschaft überzeugt, dass sie auf höchstem Niveau kämpfen kann, indem sie ihrer Identität treu bleibt."

Corriere della Sera: "Barcelona provoziert, schlägt und gibt den Ball nicht zurück, doch muss dann kapitulieren: Eine Phase ist für Barca zu Ende gegangen. Eine wunderschöne Seite der Fußballgeschichte geht zu Ende und eine andere beginnt. Juve ist nicht Paris St. Germain, sondern eine solide, robuste Mannschaft mit einer unübertrefflichen Abwehr und mit der festen Entschlossenheit, den CL-Titel zu erobern."

Sport: "Barcelona zerschellt an der Juventus-Wand. Barca scheitert mit seinem System, in dem alles auf der Scoring-Leistung von Messi und Co. basiert und in dem Mittelfeld und Abwehr vergessen werden. Es ist alarmierend: In Messis besten Jahren, also zwischen 2011 und 2017, hat Barcelona nur einmal die Champions League gewonnen."

El Mundo Deportivo: "Es war ein Barca ohne Zauber und ohne Tore, ein Abschied von Europa ohne Ruhm. Barcelonas Spiel war ohne Rhythmus und voller Fehler. Allerdings hatte Juventus zweifelsohne die Unterstützung von Schiedsrichter Björn Kuipers, der nichts unterbunden hat und Juve bis an die Grenze des Erlaubten spielen ließ. Nach der Leistung von Viktor Kassai wollte Kuipers wohl auf keinen Fall Fehlentscheidungen riskieren."

AS: "Juventus erreicht ohne große Probleme ein torloses Unentschieden im Camp Nou und schließt damit jedes Wunder aus. Der Triumph der Italiener resultiert aus ihrer Teamarbeit. Barcelona hat lange von der punktuellen Inspiration seiner Stars gelebt. Wenn die wie nun ausbleibt, stürzt Barca ab." (sid, 20.4.2017)