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"Transparent" bricht eine Lanze für Transidente. Im Bild: Mort, Vater dreier erwachsener Kinder, der als Frau leben und "Mapa" genannt werden will, mit Tochter.

Foto: AP

Innsbruck – Im Kabelfernsehen feiert Amazon mit der Serie "Transparent" Riesenerfolge. Das zentrale Thema ist Transidentität, so der medizinische Fachbegriff für eine Geschlechtsidentitätsstörung. In der US-Serie will der Vater von drei erwachsenen Kindern endlich als Frau leben und bereitet sich auf eine Geschlechtsumwandlung vor. Das macht weniger ihm selbst als seinem Umfeld enorme Probleme. Die TV-Serie läuft zwar unter der Rubrik Comedy, setzt sich mit dem Thema aber ernsthaft auseinander.

Die Lebensrealität transidenter Menschen sieht in Wirklichkeit ganz anders aus. Denn die Gesellschaft begegnet jenen, die als Angehörige des anderen Geschlechts leben und anerkannt werden wollen, mit Ablehnung und Argwohn.

Umso erfreulicher ist für die transidente Community Österreichs das neue Transgender-Center (TGCI), das diese Woche an der Innsbrucker Uniklinik vorgestellt wurde. Erstmals steht dort ein zentrales, interdisziplinäres Team von Experten zur Verfügung, das Betroffene helfend begleitet. Die Bandbreite reicht von Psychiatern über Chirurgen bis hin zu juristischer Beratung.

Ernst nehmen

Ein wichtiger Schritt, denn bislang fühlten sich Transidente in ihrer Situation meist alleingelassen, wie Gabriel Djedovic, Oberarzt für Plastische Chirurgie und Mitarbeiter am TGCI, erklärt: "Das führt zu einer hohen Frustrationsrate bei den Patienten und oft zu einer Flucht ins Ausland, wo dann die Operationen und Behandlungen vorgenommen werden." Nicht selten kämen diese Patienten und Patientinnen erst infolge schlechter Behandlungsergebnisse wieder in die Klinik zurück. Dem will man nun vorbeugen, indem man Betroffene von Beginn an und ein Leben lang begleitet.

Im Mittelpunkt steht dabei die Entpathologisierung der Thematik, sagt die Direktorin der Innsbrucker Universitätsklinik für Psychiatrie, Barbara Sperner-Unterweger. Denn gemäß den Behandlungsempfehlungen des Gesundheitsministeriums mussten transidente Menschen bislang einen Hürdenlauf zwischen Gutachtern und Experten absolvieren, um die Genehmigung für eine Behandlung zu bekommen. Am TGCI ist der Zugang gänzlich anders. "Wer sich bei uns meldet, weiß über seine Gefühle Bescheid. Die Experten für ihre Situation sind die betroffenen Menschen selbst", erklärt Sperner-Unterweger. Das interdisziplinäre Team am TGCI unterstützt bei Entscheidungen: "Wir führen eine psychodiagnostische Abklärung durch, nur Begutachtungen und Tests auf Alltagstauglichkeit praktizieren wir nicht mehr."

Die TGCI existiert bereits seit zwei Jahren, doch erst jetzt ging man an die Öffentlichkeit, weil davor noch das Funktionieren der internen Abläufe – schließlich arbeiten zahlreiche Abteilungen zusammen – sicherzustellen war. Derzeit werden gut 80 Patientinnen und Patienten am TGCI betreut. Der Erstkontakt erfolgt über die sexualmedizinische Ambulanz. Dort wird jeder Fall individuell behandelt, und je nach Indikation werden weitere Fachleute hinzugezogen. Im Allgemeinen erfolgt nach der psychiatrischen Abklärung die Hormontherapie und danach die Operation.

Ein Tabu brechen

"Wobei sich nicht alle Patienten operieren lassen", sagt Chirurg Djedovic. Die Erfahrung zeigt: Viermal mehr Männern wollen zur Frau werden als umgekehrt. Diese Zahlen bestätigt auch Angelika Frasl, Vorsitzende von Trans-Austria, einem Verein, der transidente und intersexuelle Menschen sowie deren Angehörige unterstützt. Frasl ortet gesellschaftliche Gründe für das Ungleichgewicht bei Operationen. Ein Mann, der als Frau leben möchte, werde gesellschaftlich eher anerkannt als eine Frau, die sich als Mann fühlt. Zudem sei auch die Operation aufwendiger und komplizierter. Frasl bemüht dazu einen Vergleich, den eine Ärztin in einer deutschen Talkshow lieferte: "Es ist ungleich schwieriger, den Eiffelturm zu bauen, als ihn abzureißen."

Das TGCI als Anlaufstelle sei eine positive Entwicklung, sagt Frasl. Gerade weil dort erstmals interdisziplinäre Hilfe geboten wird – eine langjährige Forderung der Community. Besonders wichtig sei, dass auch Kinder und Jugendliche ins Transgender Center Innsbruck kommen können. Frasl: "Dahingehend ist Österreich leider eine Wüste." Denn gerade im Jugendalter sei eine sehr genaue Diagnose und Abklärung wichtig, da die Geschlechteridentität noch im Entstehen begriffen ist.

Initiative für den Osten Österreichs

Nun hofft man seitens der Betroffenen darauf, dass das Beispiel in Innsbruck Schule macht. Denn in Ostösterreich fehlt eine zentrale Anlaufstelle für transidente Menschen. Sarah-Michelle Fuchs, Psychotherapeutin bei der Beratungsstelle Tabera, arbeitet daran, dies zu ändern. Sie war schon an der Initialzündung zum TGCI beteiligt: "Das war 2008, als wir erste Gespräche mit den Verantwortlichen führten. Bis zur Umsetzung hat es Jahre gedauert."

Daher macht sich Fuchs wenig Hoffnungen, dass in Ostösterreich in absehbarer Zeit etwas Ähnliches entsteht. "Es wird nach wie vor geblockt. Oft nicht an der Spitze der Entscheidungskette, sondern ein, zwei Stufen darunter", berichtet Fuchs von mühsamen Verhandlungen. Sie plädiert in Richtung der Verantwortlichen, der Thematik mehr Verständnis entgegenzubringen.

Denn die alltäglichen Herausforderungen für transidente Menschen sind ohnehin groß. So liegt die Langzeitarbeitslosenrate bei 50 Prozent. Die Gebietskrankenkassen bezahlen lediglich die geschlechtsumwandelnde Operation, für weitere Behandlungen müssen die Patienten selbst aufkommen. Zentren wie in Innsbruck würden diesen Druck verringern und die Behandlungsflucht ins Ausland stoppen. (Steffen Arora, 22.4.2017)