Der "NÖN"-Fotograf schoss beim Begräbnis eines Mordopfers Fotos.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Wien – Der Presserat hat die "Niederösterreichischen Nachrichten" für die Veröffentlichung eines Fotos von trauernden Angehörigen beim Begräbnis eines Mordopfers gerügt. Diese verstoße in mehreren Punkten gegen den Ehrenkodex für die Österreichische Presse, befand der Senat 2 laut Aussendung. Der Bruder des Opfers hatte sich im Namen der Familie an den Presserat gewandt.

Das abgedruckte Foto sei zehn Meter vor dem offenen Grab und ohne Einverständnis der trauernden Familie aufgenommen worden, beklagte er Pietätlosigkeit. Bei allem öffentlichen Interesse an einem Mordfall könne dieses nicht auch für die nahen Angehörigen, zumal in Großaufnahme, gelten.

Fotograf weist Vorwurf zurück

Der "NÖN"-Redakteur wies den Vorwurf, pietätslos gehandelt zu haben, zurück. Er betonte laut Presserat, sich bei diversen Anlässen im Hintergrund zu halten, er habe den Verstorbenen selbst gekannt und sei über dessen Tod betroffen gewesen. Falls er die Familie dennoch gekränkt haben sollte, tue ihm das leid.

Der Chefredakteur der "NÖN" erklärte gemäß Aussendung des Presserats, dass die Zeitung in Zukunft davon Abstand nehmen werde, Fotos von einem Begräbnis zu veröffentlichen, sollte dadurch die Privatsphäre verletzt werden.

Der Senat 2 kam zu dem Schluss, dass es "aus medienethischer Sicht sehr bedenklich" sei, "dass sich der Fotograf in nächster Nähe des Trauerzuges aufhielt, um diesen zu fotografieren": "Dem Redakteur hätte es bewusst sein müssen, dass das Fotografieren des Trauerzuges aus nächster Nähe für die Angehörigen eine unzumutbare Belastung ist."

Entscheidung bereits veröffentlicht

Nach Meinung des Senats gehört ein Begräbnis "grundsätzlich zum privaten Bereich", für die Annahme eines öffentlichen Interesses "reicht der Umstand, dass der Verstorbene Opfer eines Verbrechens wurde, nicht aus". Der Presserat sah somit die Punkte 5 (Persönlichkeitsschutz), 6 (Intimsphäre) und 8 (Materialbeschaffung) des Ehrenkodex für die österreichische Presse verletzt. Diese Entscheidung wurde von den "NÖN" bereits veröffentlicht. (APA, 21.4.2017)