Wien – Sie fetzen sich dieser Tage noch einmal heftig, die Jahreszeiten, und der Winter erweist sich dabei als zäher Kämpfer. Zur moralischen Unterstützung seines Kontrahenten führten die Wiener Philharmoniker am Samstagnachmittag unter der Leitung von Sakari Oramo die zweite Symphonie von Rued Langgaard (1893-1952) auf. Sie trägt den Namen Vårbrud / Frühlingserwachen und schließt damit, dass ein Sopran in singender Weise das mäßig originelle Gedicht Lenzklänge von Emil Rittershaus zum Vortrag bringt.

Im Wiener Konzerthaus war diese Aufgabe Anu Komsi zugefallen; um den robusten, durchsetzungsfähigen, jedoch nicht durchgehend klangschönen Stimmkörper der Finnin rankte sich ein üppiges orchestrales Stimmengeflecht im Zeichen des Überschwangs und des Glücks. Die Zeichnung der euphorisierenden Gefühlslagen der Jahreszeit des Werdens gelingt dem vergessenen dänischen Romantiker in seiner 1922 uraufgeführten Symphonie auch im ersten Satz.

Schlichtheit und Glut

Im langsamen Satz bietet Langgaard erst Akkordfolgen von nordischer Schlichtheit, auf diese folgen später grenzexperimentelle Akkordüberlagerungen, die in dem konventionell gebauten Werk aber wie Fremdkörper wirken. Der präzise, energisch dirigierende Oramo zeigte sich als ein engagierter Anwalt dieser schwelgerischen Musik, die Wiener Philharmoniker – altersmäßig diesmal von enormer Bandbreite – präsentieren das Werk solide. Die Wärme spendende Glut der Streicher im Mittelsatz tat besonders gut.

Im ersten Programmteil hatte Janine Jansen Tschaikowskys Violinkonzert in einer hochvirtuosen, aber auch etwas manierierten Weise interpretiert. Der sympathischen Niederländerin gelang es, unterschiedlichste emotionale Extreme innerhalb weniger Takte unterzubringen, vom fahlen Flüstern bis zu kratzbürstiger Rage war es oft nur ein kurzer Weg. Hysterie und bipolare Störung als Inspirationen? Schlichter präsentierte Jansen die Klage im langsamen Satz, durch den Finalsatz düste die 39-Jährige wie eine wild gewordene Wespe. Der Ton ihrer Stradivari war gurrend in der Tiefe, nadelfein in der Höhe. Tschaikowskys Melodie wurde mit Orchesterbegleitung zugegeben, zur Freude des Publikums. Der Frühling, er kann kommen. (Stefan Ender, 23.4.2017)