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Großbritanniens Hauptstadt leidet immer wieder unter Smog. Das Projekt, eine begrünte Brücke über die Themse zu bauen, scheitert aber nun wohl.

Foto: AP / Alastair Grant

Was die Londoner und ihre Millionen von Besuchern erhalten sollten, klang in den Hochglanzprospekten wie ein kleines Paradies. Von einer "Oase der Ruhe" war dort die Rede, einem ganz besonderen Garten hoch über der Themse, mitten in der von Abgasen geplagten britischen Hauptstadt. Begeistert machte sich der damalige Bürgermeister Boris Johnson das Projekt einer alten Familienfreundin zu eigen. Eine von seinem Labour-Nachfolger Sadiq Khan in Auftrag gegebene Studie kommt nun aber zu einem vernichtenden Schluss: Stadt und Staat haben den privaten Initiatoren Millionenzuschüsse ohne ausreichende Kontrolle gewährt, die weitere Finanzierung ist ungesichert. Die Gartenbrücke steht vor dem Aus.

Erste Pläne für die Attraktion zwischen dem touristisch glänzend erschlossenen Themse-Südufer von Southwark und dem ehrwürdigen Juristenviertel Temple gab es bereits vor 20 Jahren – Teil einer Ideensammlung für öffentliche Bauten zum Gedenken an die 1997 tödlich verunglückte Prinzessin Diana. Wie viele andere Konzepte wurde auch dieses zunächst verworfen.

Gebüsche und Bäume

Später aber hauchte die für ihre Kampagnen berühmte Schauspielerin Joanna Lumley dem Projekt neues Leben ein. Der hochangesehene Designer Thomas Heatherwick entwarf das 366 Meter lange Bauwerk zwischen der Waterloo- und Blackfriars-Brücke. Nach seinem Plan soll es mit Bäumen und Gebüschen bestückt werden wie einst die London Bridge mit Häusern. Die Baukosten wurden zunächst mit mehr als 70 Millionen Euro beziffert, später war von 218 Millionen Euro die Rede.

Die Steigerung um das Dreifache konnte dem Enthusiasmus des konservativen Bürgermeisters Johnson nichts anhaben. Er gab 2014 nicht nur grünes Licht, sondern sagte auch rund 47 Millionen Euro Zuschuss für die Baukosten sowie die Übernahme der jährlichen Betriebskosten in Millionenhöhe zu. Weil der damalige Finanzminister George Osborne eine ähnliche Summe aus der Staatskasse versprach, schien nichts mehr die begrünte Brücke über den Gezeitenstrom aufhalten zu können.

Dabei haben Kritiker seit langem darauf hingewiesen: Die stetig wachsende Hauptstadt mit ihren mittlerweile 8,5 Millionen Einwohnern hätte eine Themse-Querung an ganz anderer Stelle viel dringender nötig – stromabwärts nämlich, wo in Greenwich und Newham immer neue Viertel aus dem Boden gestampft werden.

Nadelöhre für Radfahrer

Auch für ein anderes drängendes Verkehrsproblem der Stadt bietet die Gartenbrücke keine Lösung. Die Fahrradbenutzung wächst, vom Rathaus gefördert, seit Jahren exponentiell an, die Brücken über den Fluss aber bleiben gefürchtete Nadelöhre. Trotzdem soll das Lumley- und Heatherwick-Projekt Fußgängern vorbehalten bleiben, an zwölf Tagen im Jahr sogar ganz für die Öffentlichkeit geschlossen werden. Dann könnten Sponsoren wie der Rohstoffgigant Glencore dort ihre Firmenevents feiern.

Ob es dazu nun wirklich kommt? Das muss nach dem Ergebnis der Studie als höchst zweifelhaft gelten. Die Autorin Margaret Hodge leitete jahre- lang den Rechnungsprüfungsausschuss des Unterhauses und äußerte sich stets unverblümt über die Versäumnisse staatlicher und kommunaler Behörden. Auch diesmal nimmt die hochangesehene Unterhausabgeordnete kein Blatt vor den Mund: Für das mittlerweile 234 Millionen Euro teure Projekt habe es kein ordentliches Ausschreibungsverfahren gegeben, die Finanzkontrolle sei mangelhaft, die private Organisationsgesellschaft mit Wohltätigkeitsstatus leide an Geldmangel. "Für den Steuerzahler wäre es besser, das Projekt abzusagen und den bereits entstandenen Verlust abzuschreiben", sagte Hodge.

Designer Heatherwick weist jede Verantwortung für das Planungsdesaster von sich: Man habe davon ausgehen dürfen, dass die öffentlichen Stellen für ein ordnungsgemäßes Verfahren sorgen würden. Bürgermeister Khan hat eine "sorgfältige Prüfung" der Studie seiner Parteifreundin zugesagt. Und sein einst so enthusiastischer Vorgänger Johnson? Schweigt. (Sebastian Borger aus London, 27.4.2017)