Foto: Lisi Specht
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Der Schriftsteller Hanno Millesi lebt in einer Wohnung im siebten Wiener Gemeindebezirk, die ihn auch für sein jüngstes Buch inspirierte. Was ihm hier aber noch fehlt: der freie Blick in den Himmel.

"Ich bin ein Mensch, der nicht wahnsinnig gerne umzieht. Aber jemand hatte an meiner früheren Wohnung im achten Bezirk so großes Interesse, dass er mir diese hier in der Lindengasse im siebenten Bezirk im Tausch dafür anbot.

"Technische Geräte wie Drucker oder Scanner ergeben eine technoide Atmosphäre, die mich irritiert." Schriftsteller Hanno Millesi in seinem Arbeitszimmer.
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Diese Wohngegend ist trotz ihrer Nähe zur Mariahilfer Straße überraschend ruhig – außer am Samstagnachmittag, wenn die Leute nach dem Einkaufen aus den Parkhäusern in der Umgebung strömen. Dann herrscht eine Stunde lang eine von Aggressivität geschwängerte Stimmung. Es wird gehupt und geschimpft. Die meisten haben wohl ein schlechtes Gewissen, weil sie zu viel Geld für die falschen Sachen ausgegeben haben.

Die Wohnung ist recht großzügig dimensioniert. Die meisten Zimmer sind Durchgangszimmer – bis auf einen Zusatzraum, den ich als Stauraum und für die Technik nutze. Ich habe sehr ungern technische Geräte wie Drucker oder Scanner um mich, wenn ich arbeite. Das ergibt eine technoide Atmosphäre, die mich mit ihrem Kabelsalat irritiert.

Fotos: Lisi Specht

Es ist immer schwierig nachzuvollziehen, wie eine alte Wohnung früher einmal konzipiert war. Es gibt da merkwürdige Markierungen am Boden, die auf andere Zugänge hinweisen. Auch mein Grundriss sieht anders aus als der Grundriss von früher, das habe ich bei der Recherche für mein jüngstes Buch Der Schmetterlingstrieb herausgefunden, in dem sich der Protagonist in seinen eigenen vier Wänden auf die Suche nach Hinweisen auf das Universum begibt. Dabei hatte ich durchaus meine Wohnung im Hinterkopf. Man erfährt schließlich viel über eine Wohnung, indem man sie mit einer gewissen Aufmerksamkeit bewohnt – wie sie funktioniert, was sie bietet, was sie vorschreibt und was sie nicht verzeiht.

Meine Möbel haben sich so angesammelt. Es sind Stücke, die mir – unter dem Aspekt beschränkter Leistbarkeit – gefallen. Mein Schreibtisch stammt aus dem Jugendzimmer meines Vaters. Überhaupt sind viele meiner Möbel aus den Wohnungen Verwandter. Mir ist es immer am liebsten, wenn neutrale Dinge zu mir kommen und ich sie mit einer Geschichte versehen kann.

Fotos: Lisi Specht

Berufs- und interessenbedingt besitze ich viele Bücher, wobei ich mich irgendwann eingebremst habe, weil ich nicht, wie viele Kolleginnen und Kollegen, in einem Bücher-Mausoleum enden will. Das hat zwar etwas Romantisches, aber auch Beängstigendes. Abgesehen von den Bücherregalen sind meine Wände größtenteils weiß. Das war nicht immer so: Früher habe ich mich viel im Bereich der bildenden Kunst herumgetrieben. Damals habe ich fast alles aufgehängt – auch aus Platzgründen. Denn Kunst muss fachgerecht verstaut werden. Da war das An-die-Wand-Hängen das Einfachste. Aber als ich in diese Wohnung zog und gerade damit anfangen wollte, die Bilder aufzuhängen, habe ich das plötzlich nur noch in einzelnen Fällen geschafft.

Ich werde mitunter gefragt, warum es bei mir auffallend aufgeräumt aussieht. Ich glaube, das hat damit zu tun, dass ich zu Hause arbeite. Es gibt Mechanismen, mit denen man den Arbeitsbeginn hinauszögert. Mir fällt in chaotischen Zuständen aber auch das Denken schwer.

Fotos: Lisi Specht

Das Wohnen ist für mich ein Spiegel des Lebens. Die meisten Phänomene, denen man im Leben begegnet, finden auch im Mikrokosmos Wohnen statt. Man kann sehr viele Aspekte aus größeren Zusammenhängen in reduzierter Form in den eigenen vier Wänden wiederfinden.

Was mir hier fehlt: ein Balkon. Es ist nicht sehr realistisch, aber mir würde schon ein französischer Balkon in den Lichthof reichen. Ich sehe unheimlich gerne den Himmel." (15.5.2017)