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Ein orthodoxer Priester im Gebirge? Da kann die nächste Felsenkirche nicht weit sein. In der nördlichsten äthiopischen Provinz, in Tigray, gibt es Hunderte davon.

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In der rechten Felsformation befindet sich der Eingang zur Abuna Yemata Guh-Felsenkirche.

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Die Gheralta Lodge ist eine perfekt in die karge Umgebung eingepasste Ansammlung von Steinhäusern mit Strohhaufen auf den Flachdächern.

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Der Lavasee des Erta-Ale-Vulkans

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In der unwirklichen Danakil-Wüste dominiert dagegen das ganze Jahr die gleißende Sonne.

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Der Blick von der Limalimo-Lodge in den Simien-Nationalpark.

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Im Herbst, nach dem Ende der Regenzeit, sind die Bergrücken der Simien von einem grünen Flaum überzogen.

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Die letzten Meter sind die schwindelerregendsten. Der Stein ist glatt, linker Hand stürzt eine Felswand hunderte Meter in die Tiefe. Über einen schmalen Pfad balanciert man bis zum eiförmigen Eingang zur Grotte. Wer es bis hierher geschafft hat, will nicht mehr umdrehen. Schließlich erwartet einen eine der außergewöhnlichsten Felsenkirchen Äthiopiens.

Nicht dass es in diesem Land nicht spektakuläre Felsenkirchen genug gäbe. Sie verstecken sich auf dem Gipfel massiver Felsplateaus, in riesigen Höhlen oder auf unscheinbaren Kuppen. Stundenlang marschiert man durch die steinige Landschaft, bis irgendwo ein Mönch ein Türchen öffnet, man nimmt Maultierpfade und Eselswege, überquert ausgetrocknete Flussbetten und steile Bergkämme. Kerzengerade in die Höhe geht es aber selten.

Wert auf Einsamkeit

"Den Fuß hierher", kommandiert der Führer, der sich einem am Morgen im Dörfchen Megab angedient hatte, "und mit der Hand nach rechts oben greifen." Armlänge für Armlänge zieht man sich in die Höhe, während auf der gegenüberliegenden Felswand die Adler kreisen. Wer immer Abuna Yemata Guh auf halber Höhe aus dem Fels gehauen und reich dekoriert hat, legte Wert auf Einsamkeit. Der Legende nach war es ein ägyptischer Priester, der auf den Namen Vater Yemata hörte, die Wandmalereien sollen aus dem 15. oder 16. Jahrhundert stammen. Abuna Yemata selbst ist auf einem Pferd abgebildet – als einer von "Neun Heiligen", die in der Kuppel des winzigen Kirchenschiffs dargestellt sind.

"Noch ein Foto gefällig?", fragt der junge Priester, der in der Kirchengrotte hockt. Zur Verdeutlichung hält er die Hand auf. Ohne Trinkgeld kommt man in Äthiopien selbst in luftiger Höhe an keinem Priester vorbei. Und von ihnen gibt es nicht nur in Tigray jede Menge.

Staubig-blauer Himmel

Die nördlichste Provinz Äthiopiens ist genauso für ihre Felsenkirchen wie für ihre spektakulären Landschaften berühmt. In den meisten Fällen geht das eine und das andere aber eine Symbiose ein. "Sehen Sie den schmalen Pfad knapp unter dem Gipfel?", hatte frühmorgens Silvio Rizzotti gefragt. Der betagte Italiener betreibt seit über zehn Jahren eine der schönsten Lodges des Landes, die Gheralta Lodge, eine perfekt in die karge Umgebung eingepasste Ansammlung von Steinhäusern mit Strohhaufen auf den Flachdächern. Wie jeden Morgen in der Trockenzeit ist der Himmel staubig blau, in der Ferne zeichnet sich ein etwa 800 Meter hoher Tafelberg ab. Eine Landschaft wie in Arizona. "Etwas links, da ist der Eingang zu Daniel Korkor. Ihr schafft den Anstieg sicher in einer Stunde."

Wie von einem Adlerhorst aus blickt man vom Eingang dieser Felsenkirche auf die hunderte Höhenmeter tiefer liegende Terrassenlandschaft, in der in der Regenzeit Weizen, Gerste und Teff, eine lokale Hirseart, gezogen wird. Jetzt ist alles in Brauntöne getaucht, und so weit das Auge reicht ragen bizarre Felsformationen in den Himmel. Die riesigen Kakteen sind die einzigen grünen Kleckse in der Landschaft.

Eine der unwirtlichsten Gegenden der Erde

"Statistisch gesehen erlebt jeder Äthiopier im Laufe seines Lebens zwei Hungersnöte", erklärt Rizzotti nach der Rückkehr in die Lodge. Zumindest war das früher in Tigray so. Als Mitte der 1980er die Bilder von einer der verheerendsten Hungersnöte, die das Land je heimgesucht hat, um die Erde gingen (sie führten zum Life-Aid-Konzert), stammten diese aus dieser vergessenen Region. Heute ist sie dank der vielen Regierungsmitglieder, die aus Tigray stammen, weitaus besser an die Hauptstadt Addis Abeba angebunden als viele andere Provinzen. Während in der Nachbarprovinz Wollo (hier liegt die Felsenkirchenstadt Lalibella) die Straßen kaum geteert sind und außerhalb von Städten nur wenige Häuser an das Stromnetz angebunden sind, verfügt Tigray über eine recht gute Infrastruktur.

Und das selbst in einer der unwirtlichsten Gegenden, die es auf diesem Erdball gibt: In endlosen Serpentinen schlängelt sich die gut ausgebaute Straße hinunter in die Danakil-Wüste. Regelmäßig werden hier an der Grenze zu Eritrea die weltweit höchsten Temperaturen gemessen (60 Grad).

Surreale, schwefelgelbe Salzseen

Jetzt, kurz nach Sonnenuntergang, ist es einigermaßen erträglich. Endlose sechs Stunden war man mit dem Jeep durch die Wüste gerast, die letzte Stunde über eine magenerschütternde Holperpiste. "Die Rucksäcke umschnallen", schreit einer der Führer und dreht das Licht seiner Stirnlampe an. In den kommenden drei Stunden geht es auf den gerade einmal 600 Meter hohen Erta-Ale-Vulkan, erst über großflächig erstarrte Lavaplatten, dann über poröses, immer wieder abbrechendes, nadelspitzes Gestein.

Begleitet von mehreren Soldaten sind es heute ein paar dutzend Trekker, die den beschwerlichen Aufstieg angehen. Kurz vor Mitternacht stehen sie am Krater des Vulkans, zu dessen Füßen ein Lavasee köchelt. Immer wieder stoßen Fontänen in den pechschwarzen Himmel, langsam wälzt sich das Magma über den Abhang. Das Störungssystem des ostafrikanischen Rift Valley vereinigt sich in der Danakil mit jenem des Roten Meeres. Immer wieder erschüttern Erdbeben die Wüste, beinahe surreale, schwefelgelbe Salzseen dominieren die Landschaft um Dallol.

In den Simien

Hier befindet man sich 125 Meter unter dem Meeresspiegel, und das, obwohl Äthiopien gerne als das "Dach Afrikas" bezeichnet wird. Beinahe der gesamte Norden des Landes wird von Hochebenen geprägt, die durch tiefe Schluchten unterbrochen und von Gebirgszügen überragt werden. Das Simien-Gebirge nahe der Grenze zum Sudan ist das eindrücklichste. Um die 25.000 Besucher kommen jährlich in den Nationalpark, ein Drittel von ihnen sind Wanderer.

Morgendliches Schauspiel, von der Terrasse der Limalimo-Lodge aus beobachtet: Eine Horde von Blutbrustpavianen zieht vorbei.
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"Unsere Vision ist, die Zahl der Besucher zu verdoppeln", erzählt Shiferaw Asrat abends vor dem offenen Kamin. Jahrelang hat der 36-Jährige Mehrtagestreks durch die atemberaubende Gebirgslandschaft geführt, übernachtet wird in Zelten oder Community-Lodges. In den vergangenen Jahren widmete er sich gemeinsam mit seiner englischen Frau dem Aufbau der ersten Eco-Lodge in den Simien, der Limalimo Lodge, ein auf einem Felsvorsprung sitzender Lehm- und Betonbau mit atemberaubenden 360-Grad-Rundumblick. "Der Tourismus in Äthiopien ist unterbelichtet, Menschen denken immer nur an Hunger und Dürre."

Letzten Herbst hat der von der Regierung ausgerufene Notstand den Tourismus fast zum Erliegen gebracht. "Und das, obwohl für Besucher nie Gefahr bestand." Für all jene, die von Touristen leben, ein riesiges Problem. Und schade für jene, die dieses spektakuläre Land besuchen möchten. (Stephan Hilpold, RONDO, 7.5.2017)