Designer Julian Zigerli während eines Shootings mit Blick auf den Vierwaldstättersee.

Foto: Yves Suter

Die Frühjahr-Sommer-2017-Kollektion zeigt sich gewohnt ausgefallen.

Foto: Yves Suter

Pink ist eine der Lieblingsfarben des Männermode-Designers Julian Zigerli (33). Und das sieht man seinen Kollektionen an. Der unkonventionelle Schweizer schickt seine männlichen Models in rosafarbenen Jacken oder Hotpants auf den Laufsteg und überschreitet bewusst Geschlechtergrenzen. Sein seit 2011 bestehendes Label ist für ausgefallene Printmuster bekannt, die häufig aus Kollaborationen mit Künstlern entstehen. Ob Mailand, Paris, Berlin, London, New York oder Seoul – der Schweizer präsentiert seine Mode in ungewohnter Manier. Bei ihm fahren die Models schon mal Skateboard, tanzen oder trinken auf einem Bett rumlungernd Bier. Steht man dem lässig gekleideten 33-Jährigen gegenüber, sieht man ihm diese Extravaganz auf den ersten Blick kaum an.

STANDARD: Früher war die Männermode oft konservativ. Heute ist sie häufig sogar interessanter als die der Frauen. Wie sehen Sie das?

Julian Zigerli: Ich glaube, in der Männermode stößt man leichter an Grenzen, die Öffentlichkeit ist schneller schockiert. Das ist bei der Frauenmode nicht mehr so. Die Ästhetik kann auch mal edgy sein und Grenzen austesten. Deswegen war auch mir von Anfang an klar, dass ich Männermode machen will.

STANDARD: Können Männer Leggins tragen?

Zigerli: Wenn sie gute Beine haben, stört es mich überhaupt nicht. Letztes Jahr habe ich zum Beispiel eine kurze Hose entworfen, die den Anschein macht, ein Rock zu sein. Ich wollte einfach diesen flatternden Look haben. Wir haben aber bewusst keinen Männerrock entworfen. Es ging um den Look.

STANDARD: Wieso stecken Sie Männer in rosa Hosen?

Zigerli: In meinen Kollektionen taucht Rosa immer wieder auf, denn ich mag die Farbe sehr. Wir hatten letzten Sommer zum Beispiel eine plissierte rosa Hose im Programm. "Gender-Bending" ist ein Thema, das man in meiner Mode wiederfindet: Wir kümmern uns nicht um Geschlechtergrenzen. Manchmal gibt es Männerteile, die an Frauen sogar besser funktionieren. Das beweisen unsere weiblichen Kunden. Die Grenzen werden immer durchlässiger.

STANDARD: Warum entwerfen Sie keine Mode für Frauen?

Zigerli: Wir entwerfen mittlerweile einzelne Frauenteile, die möglichst unprätentiös in unsere Kollektion mit einfließen und die dann Teil des Ganzen sind. Wir möchten aber bewusst nicht sagen: "Julian Zigerli macht jetzt Frauenmode."

STANDARD: Gibt es für Sie etwas, das gar nicht geht?

Zigerli: Grundsätzlich setze ich mir nicht gerne solche Grenzen. Ich bin offen für alles. Natürlich merke ich dann ganz schnell, ob etwas für mich funktioniert oder nicht. Ich habe schon persönliche Grenzen, was den Geschmack angeht. Ich habe aber lieber einen weiten Horizont. Auch dem Kommerz gegenüber bin ich nicht abgeneigt, obwohl meine Kollektionen überhaupt nicht kommerziell angesetzt sind. Ich mische da gerne alles zusammen.

STANDARD: Geht die jüngere Generation mutiger an Mode ran?

Zigerli: Ich glaube, diese Generation lebt sehr viel bewusster. Sie probiert viel aus, und ihr Selbstbewusstsein ist schon viel früher ausgeprägt. Das sah bei mir noch anders aus.

STANDARD: Wie sieht Ihr idealer Mann aus? Wie ist er gekleidet?

Zigerli: Ich bin da nicht festgelegt, unsere Kunden sehen auch sehr unterschiedlich aus. Er kann zwischen 20 und 60 Jahre alt sein und ist ein selbstbewusster Typ, der gerne viel unterwegs ist und Lust auf Prints und Formen hat.

STANDARD: Haben Sie wirklich niemanden vor Augen?

Zigerli: Nein. Ich werde das immer wieder gefragt. Das Schwierigste an meinem Job ist, alles auf einen Punkt zu bringen. Denn für mich spielen immer viele verschiedene Variablen eine Rolle. Deswegen kann ich mich als Designer von meinem Brand nicht auf eine bestimmte Person festlegen.

STANDARD: Bei Ihnen fahren Models Skateboard, sie tanzen, trinken Bier. Sind Sie von den konventionellen Shows gelangweilt?

Zigerli: Ich bin nicht grundsätzlich dagegen, ich nutze einfach andere Mittel, um meine Mode zu präsentieren. Ich glaube, die Welt, die wir dann mit unseren Kollektionen verkörpern wollen, reicht über den Catwalk hinaus.

STANDARD: Sie machen ja auch normale Catwalks.

Zigerli: Genau, vor allem in Berlin. Die klassische Fashionshow hat eine ganz besondere Wirkung. Am liebsten mache ich in einer Saison meine eigene Präsentation und dann noch eine klassische Show. Obwohl ich keine Abneigung gegenüber der konventionellen Modewelt habe, versuche ich sie und den Alltagstrott natürlich trotzdem zu bekämpfen. Das ist zwar nicht immer einfach, aber ich finde, es ist wichtig, bei sich selbst zu bleiben.

STANDARD: Jetzt haben Sie gemeinsam mit dem Label Qwstion Taschen entworfen. Wie kam es dazu?

Zigerli: Qwstion ist eine Schweizer Taschenmarke und ist wie ich in Zürich zu Hause. Wir hatten schon länger auf dem Schirm, etwas miteinander zu machen. Die Qwstion-Taschen sind an sich gleich geblieben, geändert wurde eigentlich nur die Struktur der Oberfläche durch die regenbogenartige Reflexion. Ursprünglich haben wir uns dafür von der Mystik des Weltalls inspirieren lassen. Die Idee war, ein Traveller-Set, bestehend aus einem Weekender, einem Daypack und einem Toiletry Kit, zu entwerfen, mit dem man für einen Ausflug ins All gerüstet ist. (Theresia Verweyen, RONDO, 9.5.2017)