Die autonome Frauenbewegung forcierte bereits in den 1970er-Jahren das Problembewusstsein über Gewalt in der Privatsphäre.

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Das Gewaltschutzgesetz gilt als einer der größten frauenpolitischen Meilensteine in Österreich. Am 1. Mai 1997 trat das Gesetz in Kraft, das auch heute noch von ExpertInnen, NGOs und Feministinnen als fortschrittlich eingestuft wird. Gelungen ist das Gewaltschutzgesetz unter der damaligen Frauenministerin Helga Konrad, die sich bei einer Gesprächsrunde, zu der Frauenministerin Pamela Rendi-Wagner und Bundeskanzler Christian Kern (alle SPÖ) aus Anlass des Jubiläums ins Bundeskanzleramt geladen hatten, an Kritik und Debatten im Nationalrat erinnerte. Klar gegen das Gesetz stellte sich einzig die FPÖ mit dem Argument, das geplante Instrument der Wegweisung gehe zu weit und sei ein Eingriff in die Grund- und Freiheitsrechte.

Bereits viele Jahre vor der Installierung des Gesetzes leisteten engagierte Frauen aus den Frauenhäusern wichtige Vorarbeit, indem sie den großen Bedarf an Austausch zwischen ihnen und der Polizei erkannten.

Mitte der 1980er begannen die Frauenhäuser mit der Polizei zu kooperieren und hielten gemeinsame Schulungen und Fortbildungen ab. Nie wieder wollte sie eine Schulung bei der Polizei halten, erinnerte sich Dienstagabend Marina Sorgo vom Gewaltschutzzentrum Graz. Die rein männliche besetzte und teils wenig wohlwollende Polizistenrunde hinterließ bei Sorgo zwar einen sehr negativen ersten Eindruck, doch der Erfolg der Zusammenarbeit von Polizei und Frauenhäusern stellte sich rasch ein und wurde später im Gewaltschutzgesetz verankert. Neben Konrad und Sorgo analysierten Birgitt Haller vom Institut für Konfliktforschung und Albin Dearing von der EU-Grundrechteagentur den politischen und gesellschaftlichen Kontext der Entstehung des Gewaltschutzgesetzes.

Streit als Privatsache

Die autonome Frauenbewegung forcierte bereits in den 1970er-Jahren das Problembewusstsein über Gewalt in der Privatsphäre, skizzierte Dearing das damalige Umfeld. Auch der nach und nach aufkommende Menschenrechtsdiskurs ebnete den Weg dafür, Gewalt gegen Frauen als Menschrechtsverletzung zu begreifen. Dass dieses Bewusstsein trotz juristischer Verankerung in vielen Köpfen dennoch nicht angekommen ist, zeigten erste Evaluierungen des Gewaltschutzgesetzes, die Dearing und Haller durchführten. "Es gab damals zwei Gruppen bei der Polizei", erzählte Haller. "Die eine wusste, was das Gewaltschutzgesetz leisten soll, für die andere war es nur schwer zu begreifen."

Wenn einer aus dieser Gruppe zu einer von Gewalt bedrohten und bereits betroffenen Frau geholt wurde, musste oft eine sogenannte Streitschlichtung reichen – mit anderen Worten "passierte nichts", wie es Haller formulierte. Man war schlichtweg der Ansicht: Dieser Streit ist Privatsache – besser nicht einmischen. Ein anderes Problem in der Praxis war, dass im Fall einer einfachen Streitschlichtung kein Bericht geschrieben werden musste, bei einer Wegweisung jedoch schon. Zumindest dieser Motivation, von einer Wegweisung abzusehen, konnte man mit einem "Trick" abhelfen: Schon bald musste sowohl bei der Streitschlichtung als auch bei einer Wegweisung ein Bericht verfasst werden.

Es gibt Hilfe

Auch bei den betroffenen Frauen selbst veränderte sich erst nach und nach das Bewusstsein über die ihnen angedrohte oder von ihnen erlebte Gewalt. Ende der 1990er-Jahre war ihnen das mit dem Gewaltschutzgesetz verankerte Prinzip "Wer schlägt, der geht" nicht immer willkommen. Nach Wegweisungen zeigten sich durchaus auch Frauen "angefressen" über die vorgenommene Wegweisung, weiß Haller. Eine zweite Evaluierung in den Jahren 2001 und 2002 zeigte jedoch, dass dieselben Frauen im Nachhinein die Vorteile erkannten und das zweite zentrale Prinzip des Gewaltschutzgesetzes nun enorm schätzten: die Unterstützung durch die Interventionsstelle, die den Frauen zeigte, dass ihnen geholfen werden kann und dass sie nicht die Einzigen sind. (beaha, 3.5.2017)