Ankara/Wien – Auf Regierungsebene zeigt Österreich Härte: keine EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, zumindest solange die Menschenrechtslage so prekär bleibt wie zuletzt. Für den Abgeordneten Hannes Jarolim (SPÖ) ist es daher "beschämend" und "befremdlich", dass der kurdische Journalist Ismail Eskin von der österreichischen Botschaft in Ankara kein Visum bekam, um am Mittwochabend in Wien im Namen seiner zahlreichen inhaftierten türkischen Berufskollegen eine Ehrung des Presseclubs Concordia entgegenzunehmen (DER STANDARD berichtete).

Die österreichische Botschaft in Ankara sprach in einem Schriftstück an den Journalisten von "begründetem Zweifel" an Eskins Glaubwürdigkeit und am Wahrheitsgehalt seiner vorgelegten Informationen. Auch ein weiterer schriftlicher Klärungsversuch des Presseclubs Concordia, der die Bedenken der Botschaft Punkt für Punkt ausräumen sollte, scheiterte.

Kurz will nicht kommentieren

Der von Jarolim zu einer Stellungnahme aufgeforderte Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) war am Mittwoch dazu vorerst nicht bereit: Es sei seit Jahren die Policy des Hauses, keine Einzelfälle zu kommentieren, sagte ein Kurz-Sprecher zum STANDARD.

Das Außenministerium als Institution insgesamt sieht kein Fehlverhalten der Botschaft in Ankara. "Die Botschaft hat sich bei der Prüfung von Visa-Anträgen an gesetzliche Vorgaben zu halten", sagte Ministeriumssprecher Thomas Schnöll auf Anfrage des STANDARD. Gleiches hatte er schon kurz zuvor der APA gesagt. Das Visum sei nicht verweigert worden, da das Verfahren noch gar nicht abgeschlossen gewesen sei, weil die angeschlossenen Unterlagen nicht vollständig waren beziehungsweise einer Präzisierung bedurften.

"Mehr als befremdlich"

"Es ist unerklärlich, dass in Zeiten wie diesen die österreichische Botschaft in der Türkei ohne Ein- und Nachsicht für die Situation der unzähligen bedrohten und inhaftierten Journalisten agiert", äußerte sich Jarolim am Mittwoch in einer Presseaussendung. Die Stellungnahme der Botschaft in Ankara bezeichnete der SPÖ-Mandatar als "Behauptung", die "mehr als befremdlich" sei: Die Türkei agiere "völlig außerhalb der europäischen Wertevorstellung". Umso mehr sei der Umstand, dass der Journalist Eskin nicht nach Österreich durfte, "beschämend".

Jarolim weiter: "Von Zeit zu Zeit ist es notwendig, nicht nur Ankündigungen zu setzen, sondern selbst aktiv zu werden, noch dazu wenn Menschen aufgrund diktatorischer Verhältnisse in Bedrängnis geraten. Ich erwarte mir von Bundesminister Kurz eine rasche Klärung."

Kein Einzelfall

Die Causa Eskin ist kein Einzelfall: Vor knapp eineinhalb Jahren war eine Einladung des Österreichischen PEN-Clubs für den ägyptischen Dichter und Menschenrechtler Omar Hazek geplatzt, weil auch er kein Visum erhielt. Die Begründung damals lautete ähnlich wie heute: Zweifel an einer freiwilligen Heimreise. Hazek, schon zuvor zwei Jahre inhaftiert, wurde damals wenige Wochen später in Ägypten wieder kurzzeitig festgenommen. (gian, APA, 3.5.2017)