Vom Pizza-Service des Bundeskanzlers kann man denken, was man will, aber er war immerhin auf der kulinarischen Höhe unserer vernetzten Zeit. Der Lopatka-Fraktion in der Volkspartei kann man Ähnliches weder in Bezug auf Zeitgemäßheit noch auf guten Geschmack bescheinigen. Dafür eine Rückwärtsgewandtheit von archäologischer Dimension, ist es ihr doch gelungen, die Mumie jener Roten Katze auszugraben, mit der ihre politischen Vorgänger in den Fünfzigerjahren die SPÖ als Handlanger des Kreml zu vernadern versuchten. Das hat schon damals nur mäßig funktioniert, stützte sich aber wenigstens auf die Realität kommunistischer Diktaturen, die sich als innenpolitisches Bedrohungsszenario verwenden ließen. Möglicherweise ist den geistigen Nachfahren dieser Propaganda bei der Abfassung ihrer "Informationsbroschüre für Funktionäre" die Information entgangen, dass der Ostblock vor einiger Zeit zusammengebrochen ist, sich die kommunistische Gefahr als Argument also heute noch weniger eignet als zu Zeiten von Julius Raab.

Warum man die in den Zehn Verboten der schwarzen Ideologen ausgesprochene Warnung vor einer "Mehrheit Rot-Grün-Neos" mit Hammer und Sichel unterlegen muss, lässt sich, wenn überhaupt, nur mit einer Kombination aus Panik und Borniertheit erklären, die ebenso viel Glaubwürdigkeit garantiert wie die Behauptung, mit einem Wahlkampf habe dieses antikommunistische Manifest überhaupt nichts zu tun. Den Bundeskanzler wird es weniger stören, auf die Höhe eines Karl Marx erhoben zu werden, als die gutbürgerlichen Grünen und Neos, zu Repräsentanten einer "linken Wende" abgestempelt zu werden.

Interessierte Bürgerinnen und Bürger werden sich aber andere Fragen stellen, wie zum Beispiel: Welchen Charakters muss eine Partei sein, die glaubt, ihre Funktionäre dringend über die politische Verruchtheit eines Partners aufklären zu müssen, mit dem sie dennoch seit Jahren und immer wieder ins Koalitionsbett steigt? Oder auch: Für wie primitiv hält eine Parteiführung ihre eigenen Funktionäre, wenn sie glaubt, sie auf diesem Niveau motivieren zu können?

Diese Frage immerhin wurde rasch beantwortet. Weder in den Medien noch bei einem Großteil der Funktionäre ist diese Dämonisierung Kerns so angekommen, wie von deren geistigen Vätern beabsichtigt. Wenn sieben von neun Landesorganisationen der Partei das Elaborat dieser Denkfabrik lieber vergessen machen wollen, wird der Rest der Bevölkerung – und vor allem der angepeilte mittelständische – wohl auch nicht zu überzeugen sein: Noch wird kein Wahlkampf geführt, und schon gibt es einen Flop.

Hingegen scheint man in der ÖVP keinerlei Angst vor einer rot-blauen Koalition zu haben, aber die hebt man sich vielleicht auf, bis der Wahlkampf beginnt. Dabei kann ein Kriterienkatalog realistischer ausarten als Hammer und Sichel. Doch Mumien ausgraben heißt, die Gefahren der Gegenwart zu vernachlässigen. Wer wirklich vor Kern warnen wollte, müsste heute schon seine türkischen Wurzeln enthüllen und seinen Zweitpass einfordern. Das kann die ÖVP nicht Strache überlassen. (Günter Traxler, 4.5.2017)