Am vergangenen Wochenende war die internationale Passivhausszene zu Gast in Wien. Exkursionen zu Passivhäusern in und um Wien – im Bild eine Anlage in der Donaustadt – standen auf dem Programm.

Foto: Passivhaus Austria

Wien – Vor knapp eineinhalb Jahren wurde in Paris das Weltklimaabkommen verabschiedet. Österreich hat sich dort zur beinahe vollständigen Reduzierung seiner CO2-Emissionen bis 2050 verpflichtet. Im Gebäudesektor wurde dafür (im Gegensatz zum Verkehr) in den letzten Jahren schon einiges erreicht, doch es bedarf noch enormer Anstrengungen, soll das "Minimalziel", die Erwärmung der Erdoberfläche um maximal zwei Grad, erreicht werden.

Österreichs "Guthaben" reicht noch 14 Jahre

Vor diesem Hintergrund fand kürzlich die 21. Internationale Passivhaustagung statt, erstmals in Wien, mit 1200 Teilnehmern aus 60 Nationen. Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb rechnete in ihrer Eröffnungsrede vor, dass Österreich schon 2030 völlig emissionsfrei sein müsste – weil weltweit noch rund 1000 Gigatonnen CO2 in die Atmosphäre geblasen werden dürften, soll das Zwei-Grad-Ziel eingehalten werden. Österreich emittiert derzeit jährlich rund 75 Millionen Tonnen CO2; wird dies nicht verringert, blieben also noch 14 Jahre bis zur Gigatonne, die den Österreichern – grob gerechnet ein Tausendstel der Weltbevölkerung – "zusteht". Keine erbauenden Aussichten.

Zumal die Politik auch mit dem längeren Fokus auf 2050 (noch) viel zu wenig macht, das wurde in zahlreichen Diskussionen auf der und rund um die Passivhaustagung deutlich. Um den österreichischen Wohnbau klimafit zu machen, wurde zwar im vergangenen Herbst eine neue 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern geschlossen (von den Ländern nur widerwillig). Sie stellt anstatt des bisher üblichen alleinigen Fokus auf den Heizwärmebedarf auch auf die Gesamtenergieeffizienz eines Gebäudes ab. Kritiker sehen darin eine politisch motivierte Abkehr vom gut gedämmten Passivhaus, hin zum Niedrigenergiehaus, bei dem der zusätzlich benötigte Energiebedarf mit erneuerbaren Energieträgern – Sonne, Wind, Erdwärme – gestillt werden soll.

Erste Sonnenhaustagung

Dem sogenannten "Sonnenhaus" kommt das sehr entgegen, die Szene verspürt entsprechend Aufwind und veranstaltet am 9. Juni in Wien ihre erste "Sonnenhaustagung".

Das Passivhaus aber, mit seiner besser gedämmten Außenhülle, gerät dagegen etwas ins Hintertreffen. Auch begrifflich: "Es besteht (...) kein Bedarf mehr für eine Definition des Begriffs 'Passivhaus'", steht wortwörtlich in den Erläuterungen zur 15a-Vereinbarung.

Den Vertretern der Passivhausszene ist das naturgemäß ein Dorn im Auge; sie fordern seit langem, dass das Passivhaus zum verpflichtenden Baustandard wird. Es sei nun seit 26 Jahren bekannt und funktioniere; "und wir haben keine Zeit mehr für Experimente", wie es Günter Lang von Passivhaus Austria formulierte.

"Lächerlich hohe Werte"

Dass es funktioniert, zeigte Martin Ploss vom Energieinstitut Vorarlberg auf der Passivhaustagung anhand des Projekts "Klinawo", einen im Bau befindlichen mehrgeschoßigen Wohnbau der Vogewosi in Feldkirch. 60.000 mögliche Bauvarianten wurden dafür durchgerechnet (DER STANDARD berichtete) und auf ihre Wirtschaftlichkeit hin untersucht.

Dass die beste Gebäudehülle für diesen Zweck das Passivhaus darstellt, wurde rasch klar, so Ploss, der in seinem Vortrag auch von "lächerlich hohen" Primärenergiebedarfswerten im Nationalen Plan (NAP) zur Erreichung der Klimaziele sprach. "Das Kostenoptimum liegt bei fast der Hälfte dessen, was laut NAP erlaubt wäre" – nämlich bei einer Bandbreite von 65 bis 85 kWh/m²/Jahr, im Vergleich zu dem laut NAP bis 2021 vorgesehenen Grenzwert von 160 kWh. Ploss' Fazit: "Die Mehrkosten beim Bau hocheffizienter Gebäudevarianten von vier bis sechs Prozent werden im Lebenszyklus durch geringere Betriebskosten mehr als kompensiert." (Martin Putschögl, 6.5.2017)