Was kommt danach? Die Angst, nicht mehr zurück zu können ist da – und berechtigt.

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STANDARD: Wie sieht das Idealpaket für eine internationale Karriere aus?

Aigner: Idealerweise ist das eine gute Kombination von Erfahrung in einem oder mehreren wirtschaftlich hoch entwickelten Ländern (USA, Westeuropa) und ein paar Jahren in einem aufstrebenden Land (Emerging Market), dazu unbedingt eine gewisse Zeit in einer Headquarter-Rolle, um sowohl strategisch-länderübergreifend zu arbeiten, als auch sein persönliches Netzwerk innerhalb der konzernalen Entscheidungsträger zu stärken.

STANDARD: Die goldene Zeit der Headquarter in Österreich ist vorbei. Funktioniert ein Start auf das internationale Parkett von hier aus überhaupt noch?

Aigner: Ja. Und zwar dann, wenn man den Schritt ins Ausland bereits geschafft hat. Denn das, was man dann an Erfahrung und Soft Skills braucht, um den Erfolg auszubauen, hat sich nicht verändert. Aber das "Sprungbrett Österreich" ist lange nicht mehr das, was es vor 20 Jahren war. Zahlreiche regionale Headquarter haben unser Land verlassen, und es gab leider keine nennenswerten politischen Initiativen, um den Standort weiterhin attraktiv zu halten. Damit kamen für nachfolgende Generationen viele Einstiegschancen abhanden, die für die Generationen davor sehr wohl häufig den Grundstein für eine spätere Konzernkarriere gelegt hatten. Denken wir nur an IT-, Telefoniekonzerne, Getränke-, Fastfood oder große Pharmakonzerne, die von Wien aus weite Regionen gesteuert haben. Das vermissen wir sehr, vor allem auch hinsichtlich der Ausbildung nachfolgender Generationen an internationalen Führungskräften.

STANDARD: Ein standortpolitisches Thema ...

Aigner: Ich wünsche mir eine neue Wirtschafts- und Standortpolitik der Taten, nicht der Worte. Gerade jetzt gibt es etwa durch den Brexit eine neue Chance, das eine oder andere regionale Headquarter nach Österreich zu holen.

STANDARD: Zurück zu den internationalen Karrierewegen: Was muss ins Gepäck, damit die Chancen gut stehen?

Aigner: Der Abschluss einer guten Ausbildung reicht schon längst nicht mehr. Man muss die Weichen schon in jungen Jahren – als Schüler, als Student – stellen. Sprachen lernen, praktische Erfahrung im In- und Ausland sammeln, Fremdsprachenkenntnisse und moderne Technologien ebenso in die Selbstverständlichkeit des Alltags integrieren wie eine ehrliche Offenheit gegenüber anderen Kulturen und Wirtschaftssystemen. Open minds lead to open doors! Es braucht Courage, Selbstvertrauen und Respekt. Es braucht außerdem die Bereitschaft, sich grenzüberschreitende Netzwerke aufzubauen und sich idealerweise schon als junger Mensch zu engagieren. Es gibt ja eine Menge internationale Programme für Schüler und Studenten – die gilt es zu nützen. Das ist, was man selbst beitragen kann. Und dann braucht es einfach auch ein bisschen Glück und vielleicht den einen oder anderen Mentor, aber das lässt sich schwer steuern. Es ist aber entscheidend, eine Chance dann zu erkennen und zu ergreifen, wenn sie sich bietet.

STANDARD: Die sogenannten Expatriates plagt auf ihrem Weg ins Entfernte oft die Angst, nicht mehr zurückkommen zu können ...

Aigner: Ja, das haben nahezu alle, und ich wurde so oft gefragt: "Soll ich wirklich? Was kommt danach?" – interessanterweise würden sich viele derjenigen, die sich damals, im Moment des Zweifelns an mich gewandt hatten, heute wohl kaum mehr erinnern ... sie haben längst anderswo Fuß gefasst, fühlen sich wohl und halten ihrer Heimat zwar privat die Treue, wenngleich es sehr häufig kein berufliches Retourticket gab. So gesehen: Die Angst ist meist vergessen, ein Zurück aber gibt es selten. (Karin Bauer, 8.5.2017)