In der Fotoserie "Flowers" (2015) thematisiert Martin Beck u. a. Fragen des Handwerks.

Foto: Courtesy Martin Beck and 47 Canal

Verbindungslinien ergeben sich hier etwa zu David Hockneys "Self-Portrait with Blue Guitar" (1977), das in der von Beck kuratierten Sammlungsschau zu sehen ist.

Foto: mumok © David Hockney

Lebt in New York und Wien: Martin Beck.


Foto: Garret Linn

Wien – Der Ausstellungsraum ist nie neutral; die Art und Weise, wie Kunst gezeigt wird, wirkt daran mit, wie wir sie wahrnehmen. Seit die Bewegung der Institutionskritik in den 1960er-Jahren den Kunstbetrieb selbst zum Gegenstand der Kunst gemacht hatte, war die Frage nach den "Strategien des Zeigens" immer wieder Thema für Künstler. Wichtig ist dies auch für Martin Beck (geboren 1963 in Nenzing), der im Mumok neben seiner Personale rumors and murmurs in einem Stockwerk darunter eine Sammlungsschau kuratiert.

Den Auftakt der Personale bildet ein Werkkomplex über "modulare Ausstellungssysteme". Aufgekommen Mitte des 20. Jahrhunderts, machten diese Systeme (Informations-)Ausstellungen mobiler. Kojen konnten nun aus Rohren zusammengesteckt werden und wurden schlicht in den Raum gestellt, statt fix montiert – weder Techniker noch aufwendige Umbauten an der Architektur waren mehr vonnöten.

"Keine Zeit"

Was Beck interessierte, sind die Konsequenzen dieser Entwicklung für die Aufbauer. In einem Video beobachtet man zwei junge Helfer, wie sie ein Röhrensteck-Ausstellungssystem auf- und ab- und auf- und abbauen, ohne dass je eine echte Schau stattfände. Irgendwann kommt ein Dritter und fragt, ob die Arbeiter Zeit hätten, über ihre Arbeitsbedingungen zu sprechen. "Nein", sagen sie, denn sie müssten schon wieder die nächste Ausstellung aufbauen.

Nicht nur auf die Flexibilisierung der Arbeit will Beck mit dem Video About the Relative Size of Things in the Universe (2007) allerdings hinaus. Entscheidend ist ihm auch der Aspekt der "Vermessung des Körpers": Wo sich Modul-Ausstellungssysteme an geometrischen Rastern orientieren, werde es möglich, die Bewegung des Besuchers zu quantifizieren – ähnlich wie bei der Konsumentenforschung im Supermarkt.

Um diesen Aspekt herauszustreichen, fügte Beck dem Video nun eine Fotoserie von Eadweard Muybridge bei, der Bewegungsabfolgen analysierte, indem er sie per Fotografie in Einzelbilder zerlegte. Zu sehen ist auch das in Würfeln strukturierte Regalsystem namens Abstracta.

Einen Gegenentwurf zur strengen Ordnung präsentiert Beck im Titelstück seiner Schau. Rumors and murmurs (Polygon) heißt eine Installation von 2012, die eine Wand mit einer gänzlich unregelmäßigen Struktur aus Vielecken überzieht. Entlehnt ist sie dem Dome Cookbook (1970). Dieser Leitfaden der Hippie-Zeit erklärt, wie man sich Behausungen baut, die eben keiner Struktur folgen, also architektonisch anarchisch bleiben.

Ebenfalls mit Becks Interesse für Gegenkulturen und -kollektive verknüpft ist die Arbeit Last Night (seit 2013): Ausgangspunkt ist die Undergroundparty The Loft, die in New York ab 1970 stattfand, ab 1984 jedoch nicht in alter Form fortgeführt werden konnte. Dem Gefühl der letzten Nacht auf dieser Party nähert sich Beck nicht etwa in dokumentarischen Fotos, sondern wieder über eine Struktur: Der Künstler rekonstruierte die Musik-Playlist dieser Nacht und produzierte etwa ein Buch, das akribisch die einzelnen Songs samt Produktionsdaten auflistet.

Szenen einer Sammlung

Das Zentrum des Werkkomplexes Last Night ist jedoch ein Video, das in voller Länge – rund 13 Stunden – die Musik wiedergibt. Zu sehen ist dabei einzig die Nahaufnahme eines Plattenspielers. Ihn interessiere die Verbindung des affektiven Moments mit dem strukturellen Moment, sagte Beck, also die "unfassbare kollektive Emotionalität" dieser legendären Nacht des Jahres 1984 und deren Reduktion auf die Musik.

Zeitgleich mit Becks Personale zeigt das Mumok die von Beck kuratierte Ausstellung watching sugar dissolve in a glass of water. "Szenen" nennt er seine zum Teil sehr intuitiven Arrangements, mit denen er neue Querverbindungen zwischen Sammlungswerken herstellen will.

So kombinierte der zwischen New York und Wien pendelnde Künstler etwa David Hockneys Gemälde Self-Portrait with Blue Guitar (1977), worauf ein Blumenstrauß zu sehen ist, mit einer Reihe enzyklopädischer Pflanzenfotos von Karl Blossfeldt aus den 1920er-Jahren sowie mit einer Tempera-Arbeit Rudolf Schlichters aus dem Jahr 1953 mit dem Titel Fleischfressende Pflanzen. (Roman Gerold, Spezial, 6.5.2017)