Marine Le Pen hat sich in dem entscheidenden TV-Streitgespräch der französischen Präsidentschaftskampagne am Mittwochabend aller Voraussicht nach selbst aus dem Rennen geschossen. Zumindest sanken ihre Umfragewerte gleich danach auf unter 40 Prozent, zugunsten von Emmanuel Macron, der 63 Prozent auf sich verbuchen konnte. Doch nicht erst seit der Wahl von Donald Trump in den USA ist die Vorsicht die Mutter aller Prognosen – zumal Le Pen in gewisser Hinsicht nur ein Symptom für all die Probleme Frankreichs ist, die viele Wähler in ihre Arme treiben.

Sicher ist, dass Le Pen zum Ende des Wahlkampfes hin Selbstdemontage betrieben hat. Die geschickte Strategie von Salonfähigkeit scheiterte, als sie die Maske hat fallen lassen – und plötzlich gleicht sie ihrem Vater Jean-Marie doch sehr stark. Psychologen werden sich sicher einmal mit dem "Fall Marine" befassen, um die selbstdestruktiven Kräfte zu analysieren, die Le Pen dazu bewogen, ihre monatelangen Wahlkampfbemühungen in einer einzigen TV-Debatte zunichtezumachen.

Extremisten erledigen sich oft von selbst. Das ist das Beruhigende für die Demokratie. Beunruhigend bleibt, dass die tieferen Ursachen des "Symptoms Le Pen" nicht von selbst verschwinden werden. Auch Frankreich krankt an sich selbst. Der neue Präsident muss die Nation auf Kurs bringen – mit charmantem Lächeln allein wird das nicht gelingen. (Stefan Brändle, 5.5.2017)