Niemand kritisiert diese Bundesregierung so hart und unerbittlich, wie das einzelne Regierungsmitglieder tun. Wenn es darum geht, die Arbeit der Koalition schlechtzumachen, legen deren Proponenten eine Hartnäckigkeit und Boshaftigkeit an den Tag, die die gesamte Riege der Oppositionsparteien wie eine Kinderjause ausschauen lässt, harmlos und unbeholfen. Vom Ziel, gemeinsam gute Arbeit für das Land zu machen, haben sich einzelne Regierungsmitglieder offenbar schon verabschiedet.

Es ist erstaunlich, was sich Kanzler Christian Kern aus den Reihen seines Koalitionspartners ÖVP gefallen lassen muss. Zu Wochenbeginn war wieder einmal Innenminister Wolfgang Sobotka ausgerückt, um in einem Interview im Kurier kräftig Ohrfeigen auszuteilen. Dem Kanzler hält Sobotka nichts anderes als Versagen vor, er spricht ihm die Fähigkeit ab, die Regierung führen zu können. Tatsächlich erscheint es schwierig bis unmöglich, eine Koalitionsregierung, in der Leute wie Sobotka sitzen, führen zu können. Dieser sabotiert mutwillig und vorsätzlich deren Arbeit.

Sobotka desavouiert damit nicht nur den Kanzler, sondern auch seinen eigenen Parteichef, Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, einen der letzten Schwarzen in der Regierung, die sich noch um ein konstruktives Arbeitsklima bemühen. Wenn Sobotka neue Bedingungen für den Beschluss der Bildungsreform stellt und die Abschaffung der kalten Progression an eine Reform des Sozialsystems knüpft – lauter Themen, die nicht ursprünglich mit seinen Agenden als Innenminister in Zusammenhang stehen -, gibt er damit Mitterlehner der Lächerlichkeit preis. Der hat offenbar in seiner Partei nichts mehr zu sagen. Neue Vorstöße und das fundamentale Infragestellen der Koalition werden mit Mitterlehner gar nicht erst abgesprochen.

Das Versagen Kerns macht Sobotka an dessen "Dauerwahlkampf" fest. Befindet sich der Kanzler im Wahlkampf? Aber sicher. Und Kern ist gut beraten, sich, seine Arbeit und die der Regierung so gut wie möglich zu verkaufen. Den Auftritt als Pizzabote kann man als banal empfinden, aber das disqualifiziert Kern nicht als Kanzler. Im Übrigen befindet sich auch die ÖVP im Wahlkampf. Die Broschüre, in der Kern als Kryptokommunist verunglimpft wird, ist ein guter, wenn auch lächerlich wirkender Beleg dafür. Es mag Sobotka schmerzen, dass seine Partei der Inszenierung des Kanzlers wenig entgegenzusetzen hat. Einen Grund, die gemeinsame Arbeit einzustellen und sich nur noch im gegenseitigen Niedermachen zu suhlen, stellen diese wahlkampftechnischen Fingerübungen aber nicht dar, auf beiden Seiten nicht.

Wahlgekämpft wird sicher weiter, um nichts anderes handelt es sich auch bei Sobotkas Attacke auf den Regierungschef. Und wenn es nach den Spaltpilzen in der ÖVP geht, deren herausragendster Kopf Sobotka ist, wird eher früher gewählt als erst im Herbst nächsten Jahres. Sorgen machen muss man sich um die Opposition. Die hat den inoffiziellen Wahlkampfauftakt offenbar komplett verschlafen. (Michael Völker, 8.5.2017)