Der schönste Ringfingerverband, den ich je hatte. Das Gute daran: Der Schiefer unter dem Nagel war raus.

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Karin Pollack beschäftigt sich von Berufs wegen mit Gesundheit. Manchmal ist sie selbst krank oder verletzt, wie in diesem Fall.

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Unfälle passieren grundsätzlich zum falschen Zeitpunkt und unerwartet. Unlängst beim Parken meines Fahrrads im Fahrradkeller: Es ist kurz vor Mitternacht, ich bin müde, sperre die Tür auf und greife zur Türschnalle. Und da war dieser eine Moment. Die Tür zum Fahrradkeller ist alt, der Lack brüchig, und eigentlich habe ich das nie bemerkt, bis mir dieser Schmerz in die Knochen fuhr.

Beim Runterdrücken der Türschnalle habe ich mir einen einen Zentimeter langen Schiefer unter den Nagel meines Ringfingers eingezogen. Ich sehe den Holzsplitter durchschimmern. Auweia.

Es tut weh. Ich hole Nadel und Pinzette, so wie man das mit Splittern eben macht, und beginne herumzustochern. Schneide den Fingernagel kürzestmöglich ab. Bohre mit der Nadel rein und versuche mit einer Pinzette das Ende des Schiefers zu erwischen. 15 Minuten herumwerkeln. Keine Chance.

Schmerzen aushalten

Mittlerweile tut mir der Finger schon mehr weh, beginnt zu pochen. Und ich weiß auch, warum. Mein Immunsystem hat den Fremdkörper in mir geortet und fährt seine Geschütze auf. Meine Abwehrzellen werden eine Entzündung, dann Eiter produzieren, der den Schiefer aus dem System rausspült. Das wird dauern, wird wehtun, denke ich. Vielleicht verliere ich den Nagel. Ergo: Der Schiefer muss raus.

Aber wo? Da fällt mir die neue Gesundheitshotline Teweb ein, ein perfekter Anlass, diesen Service auszuprobieren. Dort beschreibt man seine Beschwerden, und die sagen einem, was zu tun ist. Wo werden die mich also mit dem zugegebenermaßen objektiv relativ läppischen Problem hinschicken?

Wie war noch mal die Nummer? Ich google "Gesundheitshotline Österreich" und klicke mich erst mal durch Artikel in Zeitungen. Google-Optimierung dürfte beim Hauptverband keine große Rolle spielen, die Website unter der URL www.1450.at erscheint nämlich nicht. Ich finde die Nummer in einem Zeitungsartikel online.

Hürden nehmen

Schließlich wähle ich. Zwischen mir und der Telefonistin entspinnt sich folgender Dialog:

"Hallo, guten Abend. Ich habe mir einen Schiefer unter den Fingernagel eingezogen. Es tut weh. Was soll ich tun?"

"Wie ist Ihr Name, wie Ihre Versicherungsnummer, woher rufen Sie an?"

Ich beantworte die Fragen. Die Telefonistin fragt nach, ich buchstabiere meinen Nachnamen. Dann aber plötzlich Fragen wie: "Haben Sie Brustschmerzen?, Haben Sie Bewusstseinsstörungen?"

Ich sage nein und noch einmal nein. Sie sagt: "Ich muss das fragen." Ich sage: "Ich weiß, Sie machen den Fragebaum, aber ich habe nur einen Schiefer." Das Hin und Her dauert nicht lange, dann verbindet sie mich mit einer Pflegekraft, die mir dann ganz klare Fragen stellt und schließlich sagt: "Ja, der Schiefer muss raus, und wenn es Ihnen sehr wehtut und Sie keine Schmerzmittel zu Hause haben, gehen Sie ins Spital, und bitte sagen Sie denen, dass sie zuvor die Gesundheitshotline 1450 befragt haben."

Los ins Spital

Taxi, Spital, Notfallambulanz im AKH. Bei der Aufnahme hat das Personal von der Gesundheitshotline 1450 noch nie etwas gehört, nur ein junger Pfleger hat davon in der Zeitung gelesen. Schließlich lande ich auf der Unfallambulanz, wo um Mitternacht nicht viel los ist. Nach 45 Minuten bin ich dran. Die junge Ärztin schaut mich ungläubig an. Einen Schiefer gab es in ihrem Dienst schon länger nicht. Ihre Assistentin verzieht beim Anblick des Fingers empathisch das Gesicht. "Die Gesundheitshotline hat gesagt, dass ich kommen darf," rechtfertige ich mein Dasein.

Ärztin: "Ich habe gedacht, die Hotline soll uns Ärzte in den Ambulanzen entlasten", sagt sie lachend und holt eine lange und spitze Pinzette. 20 Sekunden später ist der Schiefer raus, ich kriege Desinfektionsmittel drauf, einen sehr schönen Verband und einen Entlassungsbrief. Dann verrät die Ärztin aber, dass sie schon als Kind sehr gern Schiefer rausgezogen hat, sie möglicherweise auch deshalb Ärztin geworden ist. Insofern sei mein Fall hier auf der Ambulanz schon okay. Alles eine Frage des richtigen Werkzeugs.

Fazit: Die Gesundheitshotline hatte doch recht. Fürs nächste Mal bin ich gerüstet. Ich habe die Gesundheitsnummer im Telefon eingespeichert. Übrigens: Das Pochen hörte auf, sobald der Schiefer raus war. Die Schmerzen waren im Taxi nach Hause bereits erträglich – und am nächsten Tag war ich müde, aber doch am Schreibtisch, nur mein toller Verband drückte dauernd selbstständig auf die GROSSSTELLTASTE. (Karin Pollack, 14.5.2017)