Einen "starken Wunsch des Volkes nach Regierungswechsel" konstatierte Südkoreas Präsidentschaftskandidat Moon Jae-in am Wahltag. Dem kann man nur schwer widersprechen: Rund 77 Prozent der Koreanerinnen und Koreaner gingen Dienstag nach provisorischen Zahlen an die Urnen. Etwa 41 Prozent von ihnen sollten sich später für Moon entscheiden, der neuer Präsident wird. Die lädierte konservative Liberty Korea Partei von Expräsidentin Park Geun-hye kann Platz zwei ihres Kandidaten Hong Jun-pyo noch als Erfolg verkaufen. Ein Votum für Kontinuität war dies aber nicht. Hong hatte sich weit rechts seiner Partei positioniert.

Moon ist es gelungen, sich trotz seiner langen Geschichte in der linksliberalen Demokratischen Partei als Kandidat zu positionieren, der außerhalb des Systems steht. Seine Vergangenheit als Menschenrechtler kam dem entgegen. Dennoch geriet auch er zeitweise unter Druck von Ahn Cheol-soo, einem IT-Entwickler, der sich als Zentrist präsentierte und im Stil Emmanuel Macrons "von allen Seiten das Beste" nehmen wolle. 22 Prozent stimmten für ihn.

Moon profitierte auch davon, dass viele im Streit mit Nordkorea eine erfahrene, wenn auch sanfte Stimme einem Anfänger vorzogen. Doch er muss liefern: Fast so schwierig wie der Konflikt mit Pjöngjang ist der innerhalb des Landes, gegen Industriekonglomerate und um das Vertrauen der Bürger. Auch in Korea stehen die etablierte Parteienlandschaft und das demokratische System am Scheideweg. (Manuel Escher, 9.5.2017)