Aschehaufen als "Nacktfotos" von Anne Frank.

"Ich wünsche Frohe Ostern den Männern und auch Pussys dieser illustren Gruppe".

"Herausgefordert".

Wien – Mehrere Fotos von Aschehäufchen, darüber der Spruch "Leaked Anne Frank nudes", eine Zeichnung eines blonden Mädchens aus dem Bund Deutscher Mädel mit einem Korb voller Hakenkreuzfahnen. "Ich wünsche Frohe Ostern den Männern und auch Pussys dieser illustren Gruppe", steht als Kommentar dabei. Bilder wie diese finden sich in den Facebook-Gruppen "FV-Jus Männerkollektiv" und "Aktive AG Jus'ler" sowie in dem Whatsapp-Chat "Badass Warlords".

Die Mitglieder der Gruppe gehören oder gehörten zum Großteil der bei der ÖH-Wahl kandidierenden ÖVP-nahen Aktionsgemeinschaft (AG) am Wiener Juridicum an, die restlichen sind Bekannte und Freunde von ihnen und auch Mitglieder der Jungen ÖVP. Rund 60 finden sich in den Chats, in denen sich AG-Jus-Funktionäre auch gern einmal in eine NSDAP-Uniform hineinretuschieren und sich die Frage stellen "Wollt ihr die kleine Studienplanreform? Oder wollt ihr die totale?" oder sich "aufmuntern" mit Bildern von Menschen mit Downsyndrom – "Never gonna let you down" lautet der Schriftzug zum Meme. Dem STANDARD liegen die Screenshots der Gruppen vor.

"Das uns vorliegende Material enthält antisemitische, rassistische, behindertenfeindliche und NS-verharmlosende Aussagen und Memes, wie sie sonst nur in Neonazi-Foren anzutreffen sind", sagt Bernhard Weidinger vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands zum STANDARD. Als besonders "verstörend" sei zu werten, dass "die Belustigung an derartigen Inhalten offenbar auf einem Gruppenkonsens beruhte und kein Einspruch dagegen feststellbar ist". Der ebenfalls dem "Gruppenkonsens" zu entsprechen scheinende "sexistische Umgangston in den Gruppen rundet den Gesamteindruck eines Personenzusammenhangs ab, in dem nahezu das volle Repertoire gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit verwirklicht wird", analysiert Weidinger.

Frage nach rechtlicher Relevanz

Für Weidinger ergibt sich aus den einsehbaren Interaktionen-Angaben, dass die "Öffentlichkeitsschwelle für eine strafrechtliche Relevanz nach Verhetzungsparagraf oder Verbotsgesetz gegeben war", obwohl die Unterhaltungen in einer geschlossenen Chatgruppe stattfanden. Inwieweit die Inhalte aber tatsächlich strafrechtlich zu ahnden sind, sei von den zuständigen Behörden festzustellen.

"In demokratiepolitischer Hinsicht wäre zu erörtern, inwieweit Personen, die sich auf Kosten marginalisierter Gruppen amüsieren, deren Schutz vor Diskriminierung gerade Aufgabe des Rechtssystems wäre, sich für Tätigkeiten im Justizbereich empfehlen", kritisiert Weidinger. Er fragt sich, ob Satire, "die sich gegen solche Gruppen anstatt gegen Mächtige richtet, überhaupt als Satire klassifiziert werden kann – oder nicht doch einfach als Hetze zu benennen ist".

AG zieht Konsequenzen

"In diesen privaten Gruppen teilten einige unserer Mitglieder unter dem vermeintlichen Schutz der Vertraulichkeit politisch inkorrekte, geschmack- und niveaulose Dinge aus dem Internet", erklärte die Aktionsgemeinschaft Jus auf Facebook. Und: "Eines ist ganz klar zu sagen: In keinster Weise vertritt auch nur eine Person in der AG Jus so eine abscheuliche Haltung, sondern es handelt sich hierbei um die dümmstmögliche und verurteilenswerteste Art von schwarzem Humor." Die Gruppen seien eine "riesige Dummheit". Man werde "Konsequenzen aus den Vorkommnissen" ziehen: "Belastete Mitglieder mussten die AG Jus verlassen, sobald wir davon Kenntnis erlangt haben."

Die Bundes-AG ist hier klarer: "Das hat keinen Platz in der AG", sagt ein Sprecher zum STANDARD. "Jeder, der so etwas gepostet hat, wird aus der AG ausgeschlossen."

Auch JVP und ÖVP dabei

Unter den Gruppenmitgliedern befinden sich jedoch nicht nur AG-Funktionäre, sondern auch solche der ÖVP. Ein niederösterreichischer Gemeinderat etwa, der selbst zwar nicht postet, aber Postings likt – etwa das beschriebene Bild des Kollegen in Uniform. Es sei ein schlechter "Scherz" gewesen, er bedauere das. Die Gruppe laufe bei ihm zumeist auf "stumm".

Die JVP Wien hat alle Betroffenen aus der ÖVP-Jugendorganisation ausgeschlossen, sagt Obmann Nico Marchetti – das betreffe sowohl Postings als auch Likes, wo diese nachweisbar sind. Das JVP-Präsidium sei am Dienstag zusammengekommen und habe den Beschluss einstimmig gefällt. Welche und wie viele Personen ausgeschlossen wurden, möchte Marchetti im Gespräch mit dem STANDARD aber nicht sagen.

Der Bundesobmann der JVP, Außenminister Sebastian Kurz, reagierte auf Twitter: "Verurteile Vorfall zutiefst – absolut letztklassig! Ausschluss ist einzig richtige Entscheidung", schrieb Kurz.

SPÖ und Grüne für Konsequenzen

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler sieht "massiven Erklärungsbedarf der ÖVP". Keineswegs sei zu akzeptieren, dass der Vorfall "an die AG abgewälzt wird. Die Nähe der AG zur ÖVP ist bekannt. Damit nicht genug, sind einige Beteiligte auch in der JVP aktiv", sagte Niedermühlbichler. Allen voran habe JVP-Obmann Kurz Handlungsbedarf, so Niedermühlbichler: "Eine klare Distanzierung und Entschuldigung ist hier angebracht", forderte der SPÖ-Bundesgeschäftsführer.

Für den Justizsprecher der Grünen, Albert Steinhauser, geht es bei dem Vorfall nicht um "schwarzen Humor", sondern um "pure Verhöhnung". In ÖVP-Funktionärskreisen sei der Bedarf nach Sensibilisierung offensichtlich. Alle Beteiligten müssten ihre politische Laufbahn "in der ÖH oder sonstwo" beenden.

MKÖ: "Unerträgliche Verhöhnung der NS-Opfer"

"Die Unterlagen zeigen eine unerträgliche Verhöhnung der NS-Opfer", erklärte Willi Mernyi, der Vorsitzende des Mauthausen Komitees Österreich (MKÖ) per Presseaussendung. "Während Österreich der Befreiung von der braunen Schreckensherrschaft gedenkt, ziehen einige Studenten, die später als Richter, Staatsanwälte oder Rechtsanwälte tätig sein sollen, Millionen Tote in den Dreck."

Besonders "schockiert" zeigte sich Mernyi, dass es sich bei den Tätern um Funktionäre der AG handeln soll. "Wenn das wirklich zutrifft, muss die ÖVP sich von diesen Leuten sofort trennen", betont der MKÖ-Vorsitzende. "Nicht wenige der ÖVP-Gründer haben gemeinsam mit Sozialdemokraten und Kommunisten in Mauthausen und anderen KZs gelitten. Sie würden auf das ekelhafte Gedankengut, das hier bekannt wird, mit größtem Abscheu reagieren."

In jedem Fall fordert das MKÖ, dass die antisemitischen und menschenverachtenden Hetzparolen streng geahndet werden. "Wer so etwas verbreitet, begeht kein Kavaliersdelikt", stellt Mernyi fest. "Das muss massive Konsequenzen haben – vor allem ist die Strafbarkeit nach dem Verbotsgesetz und dem StGB zu prüfen."

ÖHs fordern Rücktritt

Reagiert haben auch die einzelnen Hochschülerschaften, die von 16. bis 18. Mai neu gewählt werden. Aus der Wahl 2015 ist die AG in der Bundesvertretung als stimmenstärkste Fraktion hervorgegangen. Die linke Koalition, die derzeit die Exekutive stellt, erklärte: "Dieses Verhalten ist unwürdig, widerlich und stellt eine grobe Verharmlosung des Nationalsozialismus dar." Dass die Postings "gerade von jener Fraktion kommen, die sich selbst immer dezidiert als unpolitische Studierendenfraktion bezeichnet", bestätige, dass "die AG eben nicht jene harmlose Servicekraft ist, als die sie sich gerne darstellt".

Die Universitätsvertretung an der Uni Wien forderte "als der FV Jus übergeordnete Vertretungsebene sofortigen Rücktritt". Die Fakultätsvertretung am Juridicum müsse "kompromisslos Konsequenzen" ziehen. Alle "involvierten Personen, die derzeit in der Aktionsgemeinschaft oder auf einer Vertretungsebene der ÖH aktiv sind, fordern wir zum sofortigen Rücktritt auf", erklärte Alina Bachmayr-Heyda vom VSStÖ.

Auch die Jüdischen österreichischen Hochschüler (JöH) verurteilen die "antisemitischen Ausfälle" per Aussendung: "So etwas Schockierendes und Widerwärtiges ist mir auf Österreichs Hochschulen noch nie begegnet", sagt Bini Guttmann, Co-Präsident der JöH: "Es zeigt einmal mehr, wie weit verbreitet antisemitische Ressentiments auch in der Mitte der österreichischen Gesellschaft immer noch sind." Die Chat-Inhalte bewerten die JöH als "ganz klar antisemitisch".

Der Junos-Spitzenkandidat Yannick Shetty zeigte sich "schockiert und betroffen" von den "rechtsextremen Entgleisungen": "Die AG muss Konsequenzen ziehen. Solche Verharmlosungen des Nationalsozialismus sind nicht tolerierbar." (Sebastian Fellner, Oona Kroisleitner, 9.5.2017)