Markus Höller statt alte Kuh: Bei Artner steht jetzt wieder ein kreativer Kopf in der Küche.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Die famosen Crostini vom Lammhirn sind perfek: Auf knusprigem, in Butter gebratenem Weißbrot wird ein Hirnomelett der molligsten Sorte drapiert.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Zwei Restaurants in Wien, diverse Cafés und Burgerbratereien in Einkaufszentren zwischen Parndorf und Wien-Mitte, ein Heuriger auf dem Weingut des Bruders in Carnuntum – und dazu der Wille, die Hauptstadtgastronomie immer wieder mit Innovationsinjektionen (oder, äh, Botox-Behübschungsstichen) fit zu spritzen: Müßiggang ist Markus Artners Laster nicht. Zuletzt hat der Multigastronom sein Restaurant auf der Wieden neu erfunden, in dem er die vergangenen Jahre Fleisch von uralten baskischen Milchkühen auf einem katalonischen Holzkohleofen zu rarer Perfektion grillte.

Den Josper und trocken gereifte Steaks gibt es noch. Eine neue Küchenlinie aber auch – und die gibt nun Markus Höller vor. Der Zweihaubenkoch hat seinen Höllerwirt in Altmünster am Traunsee nach allzu wechselndem Geschäftsgang soeben in die Insolvenz geschickt. Das Team aber konnte er nach Wien verfrachten. Mehrmals die Woche bekommt er Fisch aus dem Traunsee und andere Zutaten von Bauern aus der einstigen Umgebung geliefert. Damit soll auf der Wieden ein neuer Ort für klassisch österreichische Küche entstehen. Immerhin galt Höller vor bald 20 Jahren als einer der besten Schüler Reinhard Gerers, des damals wohl größten Kochs der Hauptstadt.

Das lässt sich noch an manchem Gericht erkennen: Bisque von Traunkrebsen und Estragon etwa, mit nicht wenig Obers aufgeschäumt und von wunderbar stimmiger Balance der Aromen, bekommt ein paar Scheiben dezidiert alkoholischer, in weißem Port pochierter Birne als Einlage. Da blitzt für einen kurzen Moment jener verschmitzte, bisweilen auch scharfe gastronomische Witz auf, der Gerers frühe Jahre prägte: So eine Suppe hätte es auch in den frühen 1980er-Jahren im legendären Mattes geben können, wo Gerer die Neue Wiener Küche zusammenkochte.

Auch die famosen Crostini vom Lammhirn (siehe Bild) sind so nonchalant perfekt, dass Höller sie sich fast bei Gerer abgeschaut haben könnte: Auf knusprigem, in Butter gebratenem Weißbrot wird ein Hirnomelett der molligsten Sorte drapiert, zwecks Finesse und Umami-Kick mit Paradeiserfilets versetzt und mit einer hauchfeinen Scheibe fetter, luftgetrockneter Pancetta gekrönt, die dieser extrem elaborierten Form des Sandwichs schmelzigen Glanz und elegante, salzige Würzigkeit verleiht. Das schmeckt so großartig, dass sich auch extreme Innereienskeptiker danach verzehren würden – solange sie nicht ahnen, was für eine Igitterei ihnen untergeschoben wird.

Seefisch statt Teichschwein

Wenn Höller Fisch aus dem Traunsee hat, sollte man ihn nicht vorbeischwimmen lassen. Seine als "Matjes" marinierte Reinanke etwa ist zu Recht legendär. Wenn aber nur Zuchtfisch auf der Karte steht, kann man weiterlesen: Die grell orange Mühlbachtaler Forelle etwa kann trotz Buttermilchbeize tranige Noten nicht verheimlichen, der Knödel vom geräucherten Fisch vermittelt vorrangig Kaminaromen; einzig die gekonnt gewürzte, klare Kraftsuppe, die brennheiß in einer Kaffeetasse serviert wird, vermittelt Freude.

Maibock wird kurz gebraten (und zum Glück nicht bei Niedertemperatur oder gar im Vakuum gefoltert) und klassisch mit Selleriepüree kombiniert, dazu gibt es saure Himbeeren. Passt als Kontrapunkt gut, logischer und saisonal passender wäre wohl Rhabarber gewesen. Lob verdient die Weinkarte: Die Weine seines Bruders hat Artner noch im Programm, zusätzlich aber kam nun auch auf der Wieden eine kluge (und zum Teil auch preislich interessante) Auswahl an Weingütern aus Deutschland, Frankreich, Spanien dazu.(Severin Corti, RONDO, 12.5.2017)